Ticketkontrolle bei leerem Handy-Akku: Unangebrachtes Bußgeld

Wer sein digitales Ticket bei einer Fahrkartenkontrolle in Hamburg nicht herzeigen kann, weil der Akku leer ist, muss Strafe zahlen. Das ist unfair.

Eine Frau steht am Berliner Bahnhof Ostkreuz am Bahnsteig und schaut auf das Handy.

Ist der Akku leer? Dann besser nicht in die Bahn steigen, sondern lieber auf Strom warten Foto: Christoph Soeder/dpa

Du musst mit der Zeit gehen, sagte ein fürsorgendes jüngeres Wesen, als es ein digitales Abo auf meinem Handy installierte. Nur ist mein Handy sehr empfindlich. Ich stürze mich seither oft mit vollgeladenem Akku ins Getümmel des Hamburger Verkehrsverbunds (HVV), um umweltfreundlich per Bus und Bahn ein Ziel in der Stadt zu erreichen. Doch spätestens auf der Rückfahrt sinkt der Akkustand ins Bodenlose.

Meist lässt er mich noch eine Weile bei einem Prozent zappeln, bevor er zwei Stationen vor dem Fahrtziel seinen Geist aufgibt. Da heißt es, schnell in den Flugmodus, alle Apps schließen und das Handy tief unten in die Tasche packen – und hoffen, dass kein Kontrolleur kommt.

Ich hätte wohl schon längst eine ausgewachsene Nomophobie entwickelt – so heißt die Angst, ohne Mobiltelefon nicht erreichbar zu sein, die auch zu Schwitzen, Zittern und weiteren körperlichen Stresssymptomen führt. Aber ich vertraute stets darauf, dass es nicht schlimm wird, wenn mich die Kontrolleure erwischen. Denn ich hab ja in echt eine Fahrkarte. Ist ja nicht so, als wäre die mit Geheimtinte gedruckt und plötzlich erloschen. Wär ja nur kein Strom mehr da, die zu zeigen. Aber sie existiert.

Bestimmt gäbe es da eine kundenfreundliche Lösung. Bestimmt haben die Kontrolleure so eine praktische Powerbank dabei. Ich bin ja sozusagen Edelkundin, keine arme Schluckerin, wie einst als Studentin, als ich lange vor Erfindung des Semestertickets an einem Nachmittag gleich zweimal erwischt wurde, auf der Hin- und auf der Rückfahrt, und sie mich beim zweiten Fang sogar zur Polizei brachten, weil ich weder Geld noch Papiere dabeihatte.

Akku muss geladen sein

Aber was las ich dann im Hamburger Abendblatt unter dem Titel „Wenn das Handy-Ticket klemmt“? Kann ich mein Ticket den Kontrolleuren wegen eines leeren Akkus nicht zeigen, wird das zunächst als „Beförderungserschleichung“ gewertet. Ich müsste es binnen sieben Tagen mit dann – hoffentlich – geladenem Akku beim HVV vorzeigen und sieben Euro zahlen, so eine Sprecherin.

Hmm. Aber ist das fair? Ich als Kundin stelle die Hardware für den Fahrkartenkauf bereit, erspare denen Automat und Papier und trage nun auch das ganze Risiko allein? Und warum können diese Menschen, die ins Abteil kommen und kontrollieren, nicht auch ein bisschen Freund und Helfer sein und mir eine Powerbank borgen, wie sie die jüngeren Wesen auch immer mit sich führen?

Die sollten die immer dabeihaben, kostet ja nicht viel. Und ich könnte drei Stunden Fahrt zu so einer Servicestelle und sieben Euro sparen. Und der HVV spart Bürokratie. Und die Welt wäre ein klitzekleines bisschen netter. Antwort der HVV-Pressestelle: Wer kein Smartphone mit zuverlässigem Akku hat, soll sich anders eine Fahrkarte kaufen, zum Beispiel am Automaten. Nur: Hast du das vorher nicht getan, bist du selber schuld.

39.405 Mal mussten im Jahr 2023 Fahrgäste diese sieben Euro zahlen, weil sie in digitaler oder analoger Form ihr Ticket nicht bei sich führten. Die Tendenz steigt. 2022 waren es nur 28.248, allein im ersten Quartal 2024 sind es dagegen schon 13.123. Die Zahlen stammen aus der Antwort des Senats auf eine Anfrage der Linken.

Ladekabel mitführen und in die richtige Bahn steigen

Deren Verkehrspolitikerin Heike Sudmann fragte nach „Strafe für leeren Akku?“. Wie denn die mehr als 300.000 Nutzer des Jobtickets das Problem lösen sollen, das nur digital zu haben ist. Antwort des Senats: Es gebe ja Ladebuchsen, in etwa jeder zweiten U-Bahn und jedem dritten Bus. Deshalb bräuchten Kontrolleure keine Powerbanks.

Ergo: Immer, immer Ladekabel mitführen und Handy aufladen, wo sich so eine Buchse findet, die geht. Vielleicht auch mal eine Bahnstation verpassen dafür. Und nur nicht erwarten, dass ein öffentliches Unternehmen das Zeitalter der Digitalisierung zum Anstoß nimmt, seine Bestrafungskultur zu überdenken.

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Jahrgang 1964, seit 1992 Redakteurin der taz am Standort Hamburg für Bildung und Soziales. Schwerpunkte Schulpolitik, Jugendhilfe, Familienpolitik und Alltagsthemen.

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