Regierungskrise in Schottland: Der Abwahl zuvorgekommen

Schottlands Ministerpräsident Yousaf tritt zurück. Er hatte durch das Aus der Koalition seiner SNP mit den Grünen keine Mehrheit mehr.

Humza Yousaf schaut skeptisch.

Zurückgetreten: Der schottische Regierungschef Humza Yousaf Foto: Lesley Martin/reuters

LONDON taz | Leider habe er beim Aufkündigen seiner Koalition mit den Grünen den Schmerz seiner grünen Kollegen unterschätzt, sagte Hamza Yousaf in seiner Rücktrittserklärung als schottischer Ministerpräsident und Führer der Schottischen Nationalpartei (SNP) am Montagmittag vor versammelter Presse in seinem Amtssitz „Bute House“ in Edinburgh. Yousaf will nun nur noch solange bleiben, bis die SNP einen Nachfolger gewählt hat; dafür hat die Partei 28 Tage Zeit.

Am 29. März 2023 war Humza Yousaf als „First Minister“ Schottlands der erste muslimische Führer einer modernen westeuropäischen Demokratie geworden, als Nachfolger der zurückgetretenen Nicola Sturgeon. Doch knapp über ein Jahr später wirft er nun das Handtuch, nachdem sein eigenes Zerreißen der gemeinsamen Regierung mit den Grünen seine SNP ohne Regierungsmehrheit zurückließ.

Ein für Mittwoch angesetztes Vertrauensvotum im schottischen Parlament drohte, ihn zu kippen. Dem kommt Yousaf nun mit seinem Rücktritt zuvor – ebenso wie er mit der Aufkündigung seiner Koalition einer drohenden Mitgliederbefragung bei den Grünen über die Fortsetzung der Regierungsbeteiligung zuvorgekommen war, nach der Ankündigung, dass die schottische Regierung ihre vorläufigen Klimaziele für 2030 nicht mehr ansteuern werde.

Die SNP hält 63 der 129 Sitze im schottischen Parlament. Nachdem zunächst die Konservativen ein Misstrauensvotum gegen Yousaf anmeldeten, stellte Labour einen eigenen gegen die ganze Regierung. In der Zwickmühle suchte Yousaf über die letzten Tage nach Bündnispartnern. Die Grünen hätten das Ende des Machtteilungsvertrages falsch verstanden, behauptete er.

Der Rücktritt reißt die Kluft innerhalb der SNP wieder auf

Als ihm alle den Rücken kehrten, richtete sich das Rampenlicht auf Ash Regan, ehemalige Ministerin für kommunale Sicherheit, die zur Partei Alba des ehemaligen SNP-Parteichef Alex Salmond übergetreten ist. Regan und Salmond treten ebenfalls für Schottlands Unabhängigkeit ein, aber mit den „Prioritäten des schottischen Volkes“ wie Erziehung, Arbeitsplätze und Industrie statt der SNP-grünen Identitätspolitik. Der Widerstand gegen eine Zusammenarbeit mit Alba ist in der SNP massiv.

Die SNP ist eine Partei mit verschiedenen Flügeln. Derzeit dominiert immer noch der sozial-progressive Flügel von Nicola Sturgeon, der Yousaf nahe steht. Er steht für das nun aufgegebene Klimaziel einer 75-prozentigen Senkung des CO2-Ausstoßes bis 2030, die nach Skandalen um sich als Transfrauen identifizierende Sexualstraftäter in die Kritik geratene Genderpolitik und das Beharren darauf, die britische Regierung zu einem zweiten Unabhängigkeitsreferendum zu zwingen.

All diese Vorhaben sind jetzt versandet. Dazu kommt der Skandal um verschollene umgerechnet rund 770.000 Euro Spendengelder an die SNP, in dessen Zentrum Peter Murrell steckt, der langjährige SNP-Geschäftsführer und zugleich Nicola Sturgeons Ehemann. Vor knapp zwei Wochen wurde er von der schottischen Polizei förmlich der Untreue beschuldigt.

Ein anderer Flügel der SNP, repräsentiert durch die Abgeordnete Kate Forbes, die beim Kampf um die Parteiführung nach Sturgeons Abtritt gegen Yousaf unterlag, ist eher konservativ. Yousafs Rücktritt öffnet die innerparteiliche Kluft nun erneut.

Lachender Dritter dabei ist die britische Labour-Opposition. Sie war lange Zeit in Schottland lediglich drittstärkste Kraft, doch führt neuerdings sie in den Meinungsumfragen und wird deshalb höchstwahrscheinlich einen harten Kurs gegen die SNP fahren, um bei den nächsten britischen Wahlen zu punkten.

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