Gewalt und Burn-out an Schulen: Lernziel Empathie

Um durch Krisen an den Schulen zu kommen, braucht es nicht mehr Fachunterricht. Vielmehr müssen psychologische Fachkräfte Leh­re­r:in­nen unterstützen.

Zwei Jungen treten einen am Boden liegenden Jungen

Empathisches Verhalten sieht anders aus. Schlägereien in den Pausen und auf dem Schulweg sind Alltag für viele Foto: Gerhard leber/imago

Das jährlich erscheinende „Schulbarometer“ ist ein gutes Frühwarnsystem. Die repräsentative Lehrkräftebefragung zeigt exakt, wenn auch sehr subjektiv, wo gerade der Schuh drückt im Schulalltag. In diesem Jahr sind jedoch selbst die Ex­per­t:in­nen alarmiert. Jede zweite Lehrkraft erkennt an ihrer Schule ein Gewaltproblem. Wenig überraschend ist dabei nur, dass Schulen im sozialen Brennpunkt wieder einmal deutlich stärker betroffen sind.

Zu der alltäglichen Gewalt an Schulen kommt eine Entwicklung, die Schulen schon seit Längerem mit Sorge betrachten: Immer mehr Schü­le­r:in­nen sind verhaltensauffällig, haben mit psychischen Problemen zu kämpfen und können sich nicht konzentrieren. Eine Nachwirkung der Pandemie, über die immer noch viel zu wenig gesprochen wird, wie Schü­ler­ver­tre­te­r:in­nen zu Recht kritisieren.

Wenn nun aber Lehrkräfte „Empathie“ für die wichtigste Zukunftskompetenz ihrer Schü­le­r:in­nen halten, sagt das viel aus über die Bedingungen, unter denen heute Unterricht stattfindet. Für die verantwortlichen Länder ist das Barometer ein Fingerzeig. Bisher nämlich versuchen sie, die Herausforderung „Heterogenität“, unter der sie die sozialen Missstände gerne zusammenfassen, meist mit herkömmlichen Mitteln zu lösen. Konkret heißt das mehr Fachunterricht.

Jüngstes Beispiel: der Beschluss der Kultusministerkonferenz vor gut einem Monat. Um dem Leistungsabfall an Grundschulen zu begegnen, haben sich die Länder auf mehr Deutsch- und Mathestunden verständigt. Wie viel das aber bringt, wenn Lehrkräfte kaum mehr Zeit für den eigentlichen Unterricht haben, ist fraglich. Um die Ursache der schlechten Leistungen – die anhaltend hohe soziale Ungleichheit – zu bekämpfen, sind andere Mittel nötig.

Multiprofessionelle Teams

Allen voran Fachkräfte, die die Leh­re­r:in­nen bei all dem unterstützen, was sie heute on top zu ihrer eigentlichen Arbeit machen. Es ist absurd, dass Lehrkräfte zwar Hostels für Schulfahrten selbst buchen, sich bei Konflikten im Unterricht oder im Elternhaus aber nicht selbstverständlich an eine Psychologin oder Integrationshelferin wenden können. Viele Schulen im sozialen Brennpunkt hoffen nun auf das „Startchancen-Programm“ der Ampel, über das sie zusätzliche Stellen für Schulsozialarbeit bekommen sollen.

Das wäre ein erster Schritt. Ein konsequenter Aufbau multiprofessioneller Teams ist das aber noch lange nicht. Der aber wäre wichtig. Dass die Gewalt an Schulen zunimmt, zeigen auch Polizeidaten. Umso erstaunlicher, dass die Ministerien offenbar nicht so genau davon wissen wollen. Gewalt oder Mobbing müssen die Schulen bis heute nicht melden.

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Seit 2013 für die taz tätig, derzeit als Bildungsredakteur sowie Redakteur im Ressort taz.eins. Andere Themen: Lateinamerika, Integration, Populismus.

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