Frühjahrsgutachten: Weg mit der Schuldenbremse!

Der Investitionsbedarf ist enorm, die Schuldenbremse ein Hemmschuh. Der Kleinkrieg unter den Wirtschaftsweisen ist ein Nebenschauplatz.

Achim Truger, Martin Werding, Monika Schnitzer, Vorsitzende, Ulrike Malmendier und Veronika Grimm

Achim Truger, Martin Werding, Monika Schnitzer, Ulrike Malmendier und Veronika Grimm (v.l.n.r) stellen ihr Gutachten vor Foto: Kay Nietfeld/dpa

Batterien oder Wasserstoff? Darüber streitet der Sachverständigenrat in seinem Frühjahrsgutachten. Die Mehrheit will eine Fokussierung auf Batterien als zukünftige Antriebstechnik für Lkw. Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm will auch auf Wasserstoff setzen – und löst wegen ihres Postens bei Siemens Energy Zweifel an ihrer Integrität aus.

Dabei wird bei dem Streit verdeckt, dass es anderswo nichts mehr zu diskutieren gibt: dass es fünf vor zwölf ist, dass jetzt geklotzt werden muss, will man die Klimaziele erreichen und nicht für Jahrzehnte ins Hintertreffen geraten.

Dabei ist bereits der Ist-Zustand alles andere als rosig. In ihrem Frühjahrsgutachten haben die sogenannten Wirtschaftsweisen ihre Prognose gesenkt. Demnach wird das Bruttoinlandsprodukt dieses Jahr nur um 0,2 Prozent wachsen. Statt 0,7 Prozent, wie noch im Herbst angenommen. Und dabei sind es eben nicht nur ein paar Prozentpunkte hinter dem Komma, die kurzfristig Sorgen machen. Nicht erst in dem neuen Gutachten steht – und nicht nur der Sachverständigenrat warnt –, dass Deutschland auch mittelfristig ein Problem mit dem Wachstumspotential hat.

Denn in Deutschland wird zu wenig investiert. Um ein Gefühl zu bekommen, wie viel fehlt: Allein der Staat müsste in den kommenden zehn Jahren zusätzliche 600 Milliarden Euro in die Hand nehmen, um die öffentliche Infrastruktur zu erneuern und fit für die klimaneutrale Zukunft zu machen, berechneten gewerkschafts- und arbeitgebernahe Öko­no­m*in­nen jetzt. 200 Milliarden taxierten sie dabei für die Dekarbonisierung.

Offensichtlicher Interessenkonflikt

Und dabei geht es nicht allein darum, eine Infra­struktur zu schaffen, mit der die Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben. Beim Umbau geht es auch um gute Lebensbedingungen für alle, einen verlässlichen Personennah- und Fernverkehr, Klimaanpassungsmaßnahmen und den Ausbau von Ganztagsschulen.

Dafür müsste der Staat aber Geld in die Hand nehmen und die Schuldenbremse endlich reformieren. Das scheint derzeit eher utopisch. Notwendig ist es trotzdem. Und wenn Christian Lindner nicht mehr an der Schuldenbremse und dem damit selbst auferlegten Sparzwang festhalten würde, müsste sich der Sachverständigenrat vielleicht nicht mehr über Lkw-Antriebstechniken streiten. Dann gäbe es vielleicht genügend Mittel, um Batterien und Wasserstoff gleichermaßen zu fördern. Ein Geschmäckle hätte das Sondervotum von Veronika Grimm dann trotzdem noch. Denn ein Interessenkonflikt ist aufgrund ihrer Tätigkeiten außerhalb des Sachverständigenrats offensichtlich.

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ist für Ökonomie im taz-Ressort Wirtschaft und Umwelt zuständig.

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