Besuch im Streiklokal der GDL: Weselsky hat doch noch Freunde

Im Streiklokal der Lokführer sind die Mitglieder erleichtert über den langen Ausstand. Endlich werde einmal „Kante gezeigt“.

Die Streikenden vor dem Café Style in Berlin sagen: Es fehlt „an allen Ecken und Enden an Personal“. Bild: Wolfgang Borrs

BERLIN taz | Kein Streik ohne anständiges Streiklokal. Das „Cafe Style“ liegt in Sichtweite des Berliner Ostbahnhofs im Bezirk Friedrichshain und nur ein paar hundert Meter vom Bezirksbüro der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) entfernt. Beste Voraussetzungen für einen Treffpunkt der streikenden GDL-Mitglieder, der bis zum Streikende am Sonntag früh rund um die Uhr geöffnet sein wird.

So ein Streiklokal hat eher wenig mit Klassenkampfromantik zu tun. Hier müssen sich alle Streikenden der Berliner Einsatzstellen des Bahn-Konzerns unter Vorlage ihres Dienstplans in Listen eintragen, um später das Streikgeld zu erhalten. Die Gewerkschaft zahlt 10 Euro netto pro Stunde, maximal 75 Euro pro Schicht.

Für die Streikenden bedeutet das teilweise beträchtliche Lohneinbußen, und es gebe auch vereinzelt GDL-Mitglieder, die eine Teilnahme am Arbeitskampf aus materiellen Gründen ablehnten, räumt ein Ortsgruppenfunktionär ein. Mit diesen Kollegen müsse man nach dem Ende der Tarifauseinandersetzung mal „ein ernsthaftes Wort reden“, denn eigentlich hätten die „in einer Gewerkschaft nichts verloren“, meint er. Probleme gebe es auch mit einigen Lokführern vor allem in der Güterverkehrssparte, die wenig Verständnis dafür aufbringen, dass sie jetzt für Schaffner die Kohlen aus dem Feuer holen sollen.

In der Tat könnten Zugbegleiter, Bordgastronomen und Disponenten ohne die gut organisierten Lokführer wohl kaum ausreichend Druck auf die Bahn AG zur Durchsetzung tariflicher Forderungen ausüben. Aber „wir sind kein Lokführerverein mehr, sondern eine Gewerkschaft für das Zugpersonal, auch wenn das einige Kollegen noch nicht so richtig wahrhaben wollen“, bekräftigt ein DB-Regio-Betriebsrat.

Erstaunlich entspannt

Abgesehen von diesen Ärgernissen ist die Stimmung am Dienstagmorgen im Café Style erstaunlich entspannt. Rund 70 GDLer verteilen sich in zwei Räumen sowie im Vorgarten und diskutieren angeregt. Dabei überwiegt so etwas wie Erleichterung, dass die Führung der GDL nach einem zehnmonatigen Tarifpoker „endlich Kante zeigt“, wie es ein S-Bahner formuliert.

Als die Gewerkschaft zuletzt am 21. April zu einem zweitägigen Ausstand aufgerufen hatte, gab es viel interne Kritik, auch hier im Streiklokal. Zwei Tage, das bringe doch nichts, war der allgemeine Tenor. Damals kursierte auch eine Unterschriftenliste für eine von Mitgliedern aller fünf Berliner GDL-Ortsgruppen verfassten Resolution. Darin hieß es unter anderem: „Offensichtlich beeindruckt auch unser 7. Streik die DB nicht wirklich. So sehen wir keinen anderen Weg, als dass wir unsere Interessen durch einen unbefristeten Streik durchsetzen.“

Nachdem die GDL-Führung jetzt den längsten Streik in der Geschichte der Deutschen Bahn ausgerufen hat, fühlt man sich bestätigt und ist voll des Lobes für den GDL-Vorsitzenden Claus Weselsky.

Es geht um Arbeitsbelastung

Allen Streikenden ist bewusst, dass es diesmal nicht in erster Linie um mehr Geld geht, sondern vor allem um die Arbeitsbelastung. Bereitwillig zeigt ein S-Bahner die vielen SMS-Meldungen, die er in den vergangenen Wochen von seinem Gruppenleiter erhalten hat. Immer wieder würden Triebfahrzeugführer gesucht, die kurzfristig Zusatzschichten übernehmen; es fehle „an allen Ecken und Enden an Personal“.

Deswegen hat die Forderung nach einer tariflichen Begrenzung der Überstunden einen hohen Stellenwert in dieser Tarifrunde. Doch für die Streikenden im Café Style geht es einhellig auch um das Grundrecht, sich als Gewerkschaft für die Interessen der Mitglieder einsetzen zu können.

Vor den vermeintlichen oder realen „empörten Fahrgästen“ will man ebenso wenig den Kopf einziehen wie vor dem überwiegend verheerenden Medienecho auf den Streik. Um 11 Uhr kommt Bewegung in die Runde. Aus dem Bezirksbüro werden Transparente, Fahnen und Streikwesten geholt und um 12 zieht man gemeinsam zum Ostbahnhof, um Präsenz zu zeigen und gern auch über den Streik zu diskutieren. „Wir brauchen uns nicht zu verstecken, wir kämpfen für eine gerechte Sache, die alle etwas angeht“, beschreibt ein Regio-Lokführer die Stimmung.

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