Bedrohte Subkultur: Friede der Hundehütte

Nach dem Brand und vor der zwangsweisen Versteigerung fragt sich: Wozu brauchen wir den Pudel Club?

Pudel-Club in Hamburg

2.500 Menschen gingen auf die Straße, um für den Erhalt dieser Ruine zu demonstrieren. Foto: Bodo Marks/dpa

HAMBURG taz | Das Dach ist wieder dicht, das Löschwasser getrocknet. Als in der Nacht zum 14. Februar der Golden Pudel Club am Hamburger St.-Pauli-Fischmarkt in Flammen stand, war das für viele eine echte Schreckensmeldung: Da leuchtete mit einem Mal auch die Geschichte eines der wichtigsten Orte der Hamburger Subkultur in denkbar grellem Licht.

Doch warum berichteten darüber bundesweit die Medien? Warum auch gehen 2.500 Menschen auf die Straße, um für den Erhalt dieser Ruine zu demonstrieren, in diesem Fall mutmaßlicher vorsätzlicher Brandstiftung? Und: Was ist eigentlich dieser Pudel Club? „Eine Kaschemme der Lust oder ein Treffpunkt für Dogsitter?“, orakelt ein Freund aus Berlin – und liefert damit gerade keine Erklärung, sondern füttert einen Hype, den man vielleicht ebenso wenig erklären kann wie die Frage, was cool ist.

Aber vielleicht ist es ja genau das: Das kleine Haus am Hafen gilt als cool, und das längst nicht mehr nur bei Eingeweihten. Die kleine Bretterbude ist heute international bekannt, der Reiseführer „Lonely Planet“ erklärt ihn zu einem „Place to be“.

Den ironischen Bruch mit dem Erwartbaren hat der Pudel Club mit seinem Betreiberkollektiv um den Entertainer Rocko Schamoni und Schorsch Kamerun, unter anderem Sänger der Goldenen Zitronen, zum Programm erhoben. Er ist ein Ort, an dem der Funpunk ein Seidenhalstuch trägt und sich der Anti-Gentrifizierungs-Aktivist – bei der „Pudel Fashion Week“ – einen Second-Hand-Anzug vom Edel-Schneider Herr von Eden ersteigert. Gleichzeitig wollten sich die Betreiber von Anfang an den Verwertungsmechanismen verweigern, die überall in der Stadt um sich greifen. So ist der Pudel etwa, was die Preispolitik angeht, niedrigschwellig.

Dandytum als Strategie

Der Hang zum Dandytum hat hier Geschichte: Ende der 1980er-Jahre eröffneten Rocko Schamoni, Schorsch Kamerun, Jens Jordan und ein gewisser Kaiser Walter den allerersten Pudel: einen „Nachtschwärmerflohmarkt“ in einem Keller auf St. Pauli. Hier verkauften sie Restbestände aus einer dichtgemachten 70er-Jahre-Boutique, die dem Club auch den Namen gab. Heute hält Schorsch Kamerun das Dandytum als Strategie übrigens nicht mehr für interessant. Wenn die Pudel-Leute nicht zuletzt die Dinge des ungeliebten Spießertums ironisch umzudeuten suchten – seien es V-Kragen-Pullover, sei es, sehr viel später, ein Auftritt des auch in ganz normalen Wohnzimmern sehr populären Organisten Franz Lambert –, sind sie damit längst vom Schlagermove überholt worden: einem Schreckensevent, das einmal im Jahr bis zu einer halben Million Leute nach St. Pauli führt, grölend, pissend und kotzend.

Später, 1990, zog der Pudel um in ein Eckhaus im Schanzenviertel, damals längst noch nicht das Ausgehquartier, das es heute ist. Mit einer Bierspur versuchte man Gäste von der Straße in den Laden zu locken. Einladungen erfolgten per „Action List“: ein eigens aufgenommenes Tonband, das auch schon mal 150 Leuten am Telefon vorgespielt wurde – damit man nicht allen dasselbe erzählen musste.

Hamburger Schule am Tresen

Mitte des Jahrzehnts verschlug es den Pudel dann an den Hafenrand, in das ehemalige Kaffee-und-Kuchen-Etablissement, das jüngst in Flammen stand. In dem runtergerockten Schuppen neben der Hafentreppe stand schon mal das Personal der Hamburger Schule am Tresen – davor und auch dahinter –, und dem einen Plattenspieler, mit dem hier lange das Publikum unterhalten wurde. Geld verdient wurde bei alldem nicht, heißt es. Überhaupt sei der Pudel nie gewinnbringend gewesen. Aber die Partys, die sollen geil gewesen sein.

Der Pudel, das war ein Experimentierraum, eine Versuchsstube für Musiker oder auch Kunststudenten. Ein Raum, in dem sich Leute austoben konnten.

Mit Widerstand ist zu rechnen

Um das Gebäude zu sichern, kauften Schamoni und sein alter Freund Wolf Richter es vor sieben Jahren der Stadt Hamburg ab. Neben dem Erdgeschoss, dem eigentlichen Club, wurde das obere Stockwerk begehbar gemacht. Bald gab es aber auch Streit der nicht mehr ganz so miteinander Befreundeten, der irgendwann eskalierte: Richter, den Betreiber des „Oberstübchens“, stellte die Keller-Fraktion gerne als rein kommerziell interessiert dar. Vorläufiges Ende der Affäre: eine anstehende Teilungsversteigerung des Hauses, terminiert auf den 20. April. Der Verkehrswert liegt Schätzungen zufolge bei 510.000 Euro – das war allerdings vor dem Brand.

Die Pudel-Gemeinde will, dass das Haus in eine bereits existierende Hamburger Stiftung überführt wird. Sollte es aber anders kommen, setzt man auf Drohkulisse: „Jeder andere Ersteigerer“, heißt es auf der Pudel-Website, „sollte damit rechnen, dass mit großem Widerstand aus ganz verschiedenen Szenen zu rechnen ist.“

Mehr über den „Golden Pudel Club“ lesen Sie in der gedruckten Norddeutschland-Ausgabe der taz.am Wochenende oder hier.

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