Barrieren für Rollstuhlfahrer: Das Privatproblem eines Piraten

Dem Landtagsabgeordneten Stefan Fricke aus NRW wird die Teilnahme an einer Dienstreise verweigert. Er darf nicht mit, weil er im Rollstuhl sitzt.

Mit Rollstuhl keine Reise? Seine Fraktion hält sich lieber raus. Bild: dpa

DÜSSELDORF taz | Der rot-grün dominierte Düsseldorfer Landtag will, dass behinderte und nichtbehinderte Kinder an den Schulen des Landes Nordrhein-Westfalen gemeinsam lernen. Doch derzeit sieht sich die Landtagsverwaltung noch nicht einmal dazu in der Lage, einem Abgeordneten im Rollstuhl die Teilnahme an einer Auslandsdelegation zu organisieren.

Der schwer contergangeschädigte Landtagsabgeordnete Stefan Fricke von der Piratenpartei ist Mitglied der Parlamentariergruppe Türkei. Im Oktober will die Gruppe Ankara, Istanbul und Zonguldak besuchen, die Partnerstadt von Castrop-Rauxel. Fricke hat extrem kurze Arme und Beine. Er braucht einen speziellen Rollstuhl.

Im Juni teilte die Landtagsverwaltung seinem Büro mit, dass nach Auskunft der Deutschen Botschaft der Transfer innerhalb der Türkei schwierig werden könnte, weil es keinen geeigneten Bus und keine barrierefreien Sanitäranlagen auf den Wegen gäbe. Eine Lösung für dieses Problem bot die Verwaltung nicht an. Stattdessen hat sie den Abgeordneten einfach von der Teilnehmerliste gestrichen.

Gegen diese Diskriminierung hatte Fricke in der vergangenen Woche Klage vor dem Landesverfassungsgericht eingereicht. „Es hat mich viel Überwindung gekostet, diese Angelegenheit vor Gericht zu bringen“, schreibt er. „Aber die Reaktionen zeigen mir, dass Behinderte auch heute noch Menschen zweiter Klasse sind.“

„Wir halten uns als Fraktion komplett raus“

Die Landtagsverwaltung versucht, sich herauszulavieren. Sie behauptet, Fricke habe sich selbst von der Reise abgemeldet. Doch eine dazu erforderliche persönliche Erklärung hat Fricke nicht abgegeben. In der Klageentgegnung des Landtags heißt es, die Verwaltung habe sich „umfassend bemüht“. Es habe sich aber herausgestellt, dass „eine barrierefreie Teilnahme an der Reise nicht ermöglicht werden konnte“.

In einer Pressemitteilung hält die Landtagsverwaltung Fricke sogar vor, was sie bislang für ihn getan hat, unter anderem habe sie im Landtag „unter großem finanziellen Aufwand eine eigene Dusche plus Toilette eingerichtet“. Außerdem sei ihm durch „das Engagement der Landtagsverwaltung“ die Teilnahme an einer Informationsreise nach Berlin ermöglicht worden.

Die Piratenfraktion ist der Meinung, die Angelegenheit sei Frickes Privatproblem. „Wir halten uns da als Fraktion komplett raus“, sagte Sprecher Ingo Schneider der taz. Man sehe hier keinen Fall von Diskriminierung. „Wenn die Landtagsverwaltung sagt, sie hat alles getan, glauben wir das.“

Hinter den Kulissen hätten Fraktionskollegen mit E-Mails und per Telefon massiv auf Fricke eingewirkt, die Klage fallen zu lassen, heißt es in dessen Umfeld. Am Mittwoch hat Fricke aufgegeben und ließ die Klage fallen. „Weil ich gesundheitlich dem, seit dem Bekanntwerden dieser Sache, entstandenen Druck aus der Fraktion der Piratenpartei nicht mehr standhalten kann“, teilte er mit.

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