Wenders' neuer Dokufilm: Die Wiederkehr des Dschungels

Wim Wenders' gefeierte Dokumentation „Das Salz der Erde“ zeigt den berühmten Fotografen Sebastião Salgado als Weltenschöpfer ganz anderer Art.

Der brasilianische Fotograf Sebastião Salgado fotografiert die Yali in Papua. Szene aus „Das Salz der Erde“. Bild: dpa

Wenig überraschend steigt Wim Wenders in seine Dokumentation „Das Salz der Erde“ mit der Aufnahme der südamerikanischen Goldgrube ein, in der sich, so scheint es jedenfalls, Hunderttausende Menschen auf Leitern tummeln, um den Schatz zu bergen. Das Bild der Serra-Pelada-Mine, die wie ein umgekehrter Turmbau zu Babel erscheint, hat Wenders’ Protagonisten, den brasilianischen Fotografen Sebastião Salgado, weltberühmt gemacht. Es ist richtig, mit diesem Bild einzusteigen. Und gleichzeitig steht dieser erwartbare Beginn repräsentativ für den ganzen Film.

So viele neue, interessante Informationen „Das Salz der Erde“ auch vermittelt, vor allem durch den Fotografen selbst, der ausführlich zur jeweiligen Entstehungsgeschichte seiner Bilder zu Wort kommt: Der Film fügt seiner Kunst, seinen oft so grausamen, erschütternden Bildern mit dem scharfen, kalten Silberglanz und den tiefen Schwärzen, durch die sie unzweifelhaft als Bilder Salgados kenntlich sind, keine weitere Dimension hinzu.

Was ist der tiefere Grund dieses besonderen Stilmittels? Welches spezielles Verhältnis zu der ihn umgebenden Wirklichkeit sucht der Fotograf damit zu formulieren? Transzendiert er sie im Glanz seiner Bilder nicht auf eine Weise, über deren Statthaftigkeit man zweifeln kann? Und von was sprechen die Bilder dann, in denen doch die Niedertracht der Welt wie kaum je in anderen Bildern aufgelistet und für alle Zeiten vermerkt ist? All diese Fragen lässt der Film unbeantwortet.

Wim Wenders verantwortet den Film nicht alleine. Dieser entstand vielmehr gemeinsam mit Sebastião Salgados Sohn Juliano, der den Vater seit ein paar Jahren auf dessen Reisen mit der Filmkamera begleitet. Er liefert damit oft das entscheidende Bildmaterial, etwa wenn er zeigt, wie sein Vater für „Genesis“, sein Großprojekt einer Ode an die – noch unangetastete – Schöpfung unserer Welt, in der Arktis einen Eisbären inszeniert, indem er dessen Lebensraum, eine fade Geröllwüste, einfach ausblendet.

„Salz der Erde". Buch und Regie: Wim Wenders und Juliano Ribeiro Salgado. Mit Sebastião Salgado. Dokumentation. B/F/I 2014, 110 Min.

Juliano Salgado bringt aber auch die entscheidende Rolle der Mutter für das präzise Porträt Salgados zur Sprache. Denn erst als sie die Vermarktung von dessen Bildern übernahm und die Reisen und Recherchen organisierte, stellte sich der Erfolg ein. Sie war es auch, die Salgado zu einem seiner spannendsten Projekte anstiftete.

Als er, aus den Schlachtfeldern Ruandas zurückgekehrt, am Rande eines Nervenzusammenbruchs stand, ermutigte sie ihn, sein Erbe anzutreten. Und so pflanzte er in die erodierten nackten Böden der heruntergewirtschafteten Farm seines Vaters im brasilianischen Urwald ein Bäumchen nach dem anderen, mit zunächst bis zu 90 Prozent Ausfall. Zu sehen, wie mit jeder nachfolgenden Pflanzung das Grün zunimmt, bis es schließlich so ausschaut, als habe die Farm unmöglich jemals nur noch nackten Boden gezeigt, das ist ein Wunder – und das schönste Bild, das Salgado, „Genesis“ hin oder her, je geschaffen hat.

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