Geflüchtete ins Hamburger Nobelviertel: Zu schrecklich zum Leben

Im gut betuchten Klein Flottbek will die Hamburger Sozialbehörde Geflüchtete unterbringen. Reiche An­woh­ne­r:in­nen und die FDP wollen das verhindern.

Einfahrt zu einem von Sträuchern umwachsenen Parkplatz

So idyllisch parkt man wohl nur in Klein Flottbek: Zum Wohnen ist es hier aber zu schlimm, findet die FDP Foto: André Zuschlag

HAMBURG taz | Ein Parkplatz also. Vor allem ältere Menschen steigen hier in ihren Funktionsjacken aus ihren glänzenden Neuwagen aus, Jüngere schließen ihre E-Räder an Bügeln ab, hochgewachsen sind die grünen Sträuche und blühenden Bäume um die rund 40 mal 20 Meter große Fläche. Dass die Hamburger Sozialbehörde hier am nach Loki Schmidt benannten Botanischen Garten ab dem kommenden Jahr eine temporäre Folge-Unterkunft für Geflüchtete errichten lassen will, sorgt im gut betuchten Klein Flottbek für Aufruhr – einige An­woh­ne­r:in­nen drohen bereits mit Klagen und auch die örtliche FDP versucht, das Vorhaben noch abzuwenden.

Zwischen dem Botanischen Garten im Norden und der angrenzenden S-Bahn-Station sollen 144 Menschen Wohnraum finden, in „Modulbauweise“, wie es auf Nachfrage bei der Sozialbehörde heißt. Wenn alles klappt, ab dem kommenden Frühjahr für fünf Jahre.

Südlich der geplanten Unterkunft gen Elbufer, westlich nach Blankenese und östlich Richtung Othmarschen reihen sich hübsche Villen auf. Wenige hundert Meter entfernt findet jährlich das Deutsche Spring- und Dressurderby statt, dahinter geht es in den großzügigen Jenischpark mit seinen kleinen Museen.

Der Anteil an So­zi­al­lei­stungs­emp­fän­ge­r:in­nen tendiert in diesem Teil der Stadt Richtung Promillebereich, das durchschnittliche Jahreseinkommen liegt bei mehr als 120.000 Euro im Jahr – ein hamburgweiter Spitzenwert.

Selbst die CDU ist dafür

Es sei eine Diskussion, „die wir doch eigentlich nicht mehr führen wollen“, sagte am Donnerstagabend die Grüne Nadine Neumannn in empörtem Ton in der Bezirksversammlung Altona, zu dem Klein Flottbek gehört. Zwar ist die Entscheidung in der Sozialbehörde längst gefallen, doch die örtliche FDP wollte zuvor mit einem Antrag dazu auffordern, die Unterkunft nicht zu errichten. Für eine gute Integration sei der Standort leider, leider überhaupt nicht geeignet – Discounter kaum fußläufig erreichbar und der Busverkehr direkt nebenan an der S-Bahn-Haltestelle auch sehr gefährlich, so die örtliche Fraktionschefin Katharina Blume.

Blume verfolgt damit dasselbe Ziel wie einige Anwohner:innen. Eine Bürgerinitiative gegen die Unterkunft hat sich schon formiert und eine Anwaltskanzlei beauftragt, wie das Hamburger Abendblatt zuerst berichtete. „Wir werden mit rund aktuell 36 Klägern und Klägerinnen anwaltlich vertreten und haben bereits weitere 60 Unterstützer. Diese Gruppe soll auf mindestens 1.000 bis 2.000 innerhalb der nächsten Wochen erweitert werden“, teilt die „Bürgerinitiative Flottbek für adäquate Flüchtlingsunterkünfte“ mit.

Deren Ablehnung teilt sie nicht, betonte Blume am Donnerstagabend. Es gebe aus ihrer Sicht schlicht geeignetere Standorte. Allerdings: Mit denselben Argumenten, wie sie Blume in der Bezirksversammlung anführte, argumentiert auch die Bürgerinitiative. In ihrer Mitteilung an die „lieben Mitbürgerinnen und Mitbürger“ betont die Initiative, darum bemüht zu sein, „integrative sinnvolle Lösungen (überparteilich) zu unterstützen“.

Es müsse wirklich ein schrecklicher Ort zum Leben sein, konterte sogar der CDU-Abgeordnete Tim Schmuckall. Bis über zur Linksfraktion herrscht Einigkeit, dass die Unterkunft nötig und der von Grün umgebende Parkplatz zumindest als Übergangslösung eine geeignete Fläche für Wohnraum ist. Doch die Errichtung wäre auch ein Novum, denn was den Ortsteil Klein Flottbek noch ziemlich besonders macht: Trotz kontinuierlich wiederkehrender Pro­bleme seit 2015, Geflüchtete in Unterkünften unterzubringen, gibt es hier immer noch keine Unterkunft.

Schon wieder Widerstand in den Elbvororten

Und der Widerstand gegen Unterkünfte ist in den Elbvororten kein neues Phänomen. Am Björnsonweg in Blankenese wehrten sich einige An­woh­ne­r:in­nen gegen eine Unterkunft, inklusive Auto-Blockade, um die Bauarbeiten zu verhindern. Ein Anwohner ging 2017 juristisch gegen die damals geplante Geflüchtetenunterkunft vor. Das Ergebnis: Sie durfte gebaut, musste jedoch nach spätestens sieben Jahren wieder abgebaut werden. Anschließend beschloss die Stadt, hier dauerhaft Sozialwohnungen für Obdachlose und Geflüchtete zu errichten, zu Protest kam es dagegen nicht.

Über den Flottbeker Widerstand sind nicht nur die Bezirksfraktionen von CDU bis Linken empört. „So wie alle Ham­bur­ge­r:in­nen muss auch dort die Nachbarschaft Platz machen für Menschen, die bei uns Schutz suchen“, sagt der Landesvorsitzende des Sozialverbands SoVD, Klaus Wicher. „Auch Klein Flottbek ist nicht Bullerbü.“

Trotz anhaltender Probleme seit 2015, Geflüchtete in Unterkünften unterzubringen, gibt es in Klein Flottbek immer noch keine Unterkunft

Zuletzt waren nach Angaben des rot-grünen Senats die Unterkünfte nahezu komplett ausgelastet. Als Notmaßnahme kündigte er an, für Asylbewerber und Schutzsuchende aus der Ukraine verstärkt Zelte in Parks und auf Festplätzen aufzustellen. Außerdem legte Innensenator Andy Grote (SPD) der Bürgerschaft eine Änderung des sogenannten Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG) vor.

Wie schon zwischen 2015 und 2017 soll die Änderung wieder ermöglichen, dass der Senat temporär auch gegen den Willen der Ei­gen­tü­me­r:in­nen deren leerstehenden Immobilien zur Unterbringung nutzt. Für die Elbvororte schlug die örtliche Linke direkt zwei leerstehende Pflegeheime vor. Eine abschließende Prüfung des Vorschlags durch die Sozialbehörde steht noch aus.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.