Theatermann Kroesinger ohne Förderung: Gern gerufen, wenn es heikel wird

Der Theatermacher Hans-Werner Kroesinger ist bekannt für politische Themen. In Berlin erhält er nun keine Basisförderung mehr.

ein Mann im Porträt

Der Regisseur Hans-Werner Kroesinger Foto: David Baltzer

Aufklärung ist seit Langem der Antrieb im Theater von Hans-Werner Kroesinger. Das konnte man gerade wieder auf dem Theatertreffen sehen, wo er mit seinem Stück „Stolpersteine Staatstheater“ eingeladen war. Wie so oft war Aktenstudium und Archivrecherche der Ausgangspunkt der Produktion, die am Badischen Staatstheater in Karlsruhe herausgekommen war und eine Geschichte über das Haus erzählte. Es geht um Schauspieler, Dirigenten und eine Souffleuse, die nach 1933 aus dem Ensemble verdrängt wurden, begründet mit ihrer jüdischen Herkunft.

Auch wenn man von diesen „Säuberungen“ weiß, und dass keine Institution davon ausgenommen war, ist es trotzdem erschütternd, von der Denunziation der Künstler durch ihre Kollegen zu hören und von den Profiteuren ihres Weggangs. Nicht zuletzt, weil die Floskeln der Propaganda von einer Kultur, – von Deutschen für Deutsche –, die da so durchschlagend funktioniert haben, heute wieder zu hören sind.

Für Kroesinger, der seit mehr als 20 Jahren für politisches Dokumentartheater steht und gern beauftragt wird, wenn es um heikle Themen der Geschichte geht – am Gorki-Theater in Berlin inszenierte er 2015 zum Gedenken an den Völkermord an den Armeniern „Musa Dagh – Tage des Widerstands“ –, bedeutete diese Einladung sicher noch einmal eine Anerkennung seiner Arbeit. Doch gegen Ende des Festivals erfuhr er von einer kulturpolitischen Entscheidung, die seine Arbeit in Zukunft sehr erschweren wird.

Am 20. Mai teilte die Senatsverwaltung für Kulturelle Angelegenheit mit, welche Künstler auf Empfehlungen einer Jury für 2017/18 Basisförderung erhalten. Kroesinger, der seit 2007 mit diesen Mitteln gearbeitet hat, bekommt sie nicht mehr.

Für einen freien Theatermacher, der eben nicht nur Regie-Aufträge an Stadt- und Staatstheatern übernehmen will, sondern viele Projekte mit eigenem Ensemble entwickelt hat, ist das eine Katastrophe. Denn viele seiner recherche-intensiven Arbeiten sind Koproduktionen, die erschwert werden, wenn ein finanzieller Baustein wegbricht. Die HAU-Theater in Berlin zum Beispiel, die seit 13 Jahren regelmäßig politisch relevante Stücke von Kroesinger im Spielplan haben, sind auf solche Ko-Finanzierungen angewiesen.

Die Sprache der Entscheidungsträger

Seit 2007 konnte der Regisseur die Basisförderung, um die sich Künstler alle zwei Jahre von Neuem bewerben müssen, nutzen. Damit ist zum Beispiel 2007 „History Tilt“ entstanden, die Rekonstruktion eines Prozesses gegen einen jungen Armenier, der in Berlin einen der türkischen Drahtzieher des Völkermordes erschossen hatte.

Als Koproduktionen sind

Kroesingers Stücke auf

Fördergelder angewiesen

In „Failed States – Somalia“ (2012) ging es um die Geschichte und Ursachen der Piraterie, in „FRONTex Security“ (2013) um die Abschottung Europas und die Sicherheitsindustrie. Auch wenn Kroesingers Stücke oft die Anmutung von Frontalunterricht haben, so ermöglichen sie doch eine gründliche und differenzierte Beschäftigung mit ihren Themen, die über die tagespolitische Aktualität hinausgeht. Das passiert gerade auch durch das genaue Hinhorchen in die Sprache von Entscheidungsträgern.

Die Jury zur Basis- und Spielstättenförderung hat sich gegen ihn entschieden, Kulturstaatssekretär Tim Renner ist ihrer Empfehlung in diesem Punkt gefolgt.

Es geht um 70.000 Euro

Es geht um 70.000 Euro, die einem Fördervolumen von 2.636.000 Euro gegenüberstehen. Eine kluge Entscheidung ist das nicht, sie sieht mehr nach dem Verspielen von künstlerischem Kapital aus, mit dem Berlin eher weiter wuchern sollte.

Blickt man auf die Liste der 30 weiterhin geförderten Musik-, Tanz-, Jugend- und Sprechtheater, ist da niemand, den man gegen Kroesinger ausspielen möchte, viele kämpfen ähnlich lange um Mittel für jede einzelne Produktion wie er. In zwei Entscheidungen weicht der Senat übrigens von den Empfehlungen der Jury ab, beide sind zu begrüßen. Sie betreffen das Kinder- und Jugendtheater, dessen Vernachlässigung in der Förderung zuletzt vielfach kritisiert wurde. Das Puppentheater Hans Wurst Nachfahren und das Musiktheater Atze, beide von der Jury übergangen, erhalten für 2017/18 Mittel im Rahmen der Basisförderung. Für das Musiktheater Atze hatte sich das Abgeordnetenhaus eingesetzt.

Tim Renner sagte dazu: „Aus kulturpolitischen Gründen gab und gibt es Ausnahmefälle, in denen wir vom Votum der Jury abweichen“. Man hätte sich von ihm und der Jury auch mehr „kulturpolitischen“ und politischen Weitblick im Falle von Hans-Werner Kroesinger gewünscht.

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