Streit in Berliner SPD über Ausrichtung: Der Burgfriede ist beendet

Bis zur Wahl hatte Fraktionschef Raed Saleh stillgehalten. Nun kritisiert er den Regierenden Bürgermeister für das Wahlergebnis.

Saleh und Müller

Hast du nicht so gut gemacht, findet Raed Saleh (l.) und meint damit Michael Müller (r.) Foto: dpa

Einen Tag nach dem Beginn der rot-rot-grünen Sondierungen ist bei der SPD der Burgfriede zwischen dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller und Fraktionschef Raed Saleh offenbar beendet. In einem Beitrag im Tagesspiegel kritisiert Saleh Müller scharf, ohne ihn allerdings beim Namen zu nennen. Mit ihrem Ergebnis von 21,6 Prozent habe die SPD am 18. September „ihren Status als Volkspartei in vielen Teilen Berlins verloren“, schreibt Saleh. Im Wahlkampf seien die Sozialdemokraten oft nicht als „Sozis“ wahrgenommen worden, sondern als „Repräsentanten des Staates“.

Saleh plädiert deshalb für eine volksnahe SPD, die auch am Stadtrand, wo die AfD oft stärkste Kraft war, Vertrauen zurückgewinnt. „Die SPD muss immer auf der Seite der Bürger stehen – und einflussreichen Lobbys den Kampf ansagen“, so der Fraktionschef, der ausdrücklich Müllers Vorgänger lobte: „Klaus Wowereit hat es mit seiner menschlichen Art lange geschafft, diese Kluft zu überbrücken, im letzten Jahr ist uns das nicht genug gelungen.“

Es war bereits das zweite Mal, dass sich Saleh nach der Wahl zu Wort gemeldet hatte. Noch während der ersten Sondierungen mit den Grünen hatte er am vergangenen Donnerstag getwittert: „Die Grünen müssen bedenken, dass Latte macchiato für 3,75 Euro für viele zu teuer ist.“ Den indirekten Vorwurf, Rot-Rot-Grün könnte eine reine Innenstadtpolitik machen und den Stadtrand außer Acht lassen, hatte Michael Müller noch lässig mit dem Hinweis gekontert, dass manche erst noch lernen müssten, dass der Wahlkampf inzwischen vorbei sei.

Diesmal hat sich Müller nicht offiziell geäußert. In dem ihm nahestehenden SPD-Kreisverband Charlottenburg-Wilmersdorf war man freilich not amused über den neuerlichen Querschuss. „Ich finde es fragwürdig, warum eine solche Kritik ausgerechnet jetzt kommt“, sagt eine Sozialdemokratin.

Es ist allerdings nicht nur Saleh, der die Zeit gekommen sieht, den Wahlkampf der SPD kritisch zu hinterfragen. Auch der rechtspolitische Sprecher der Fraktion, Sven Kohlmeier, hatte sich am Montag zu Wort gemeldet und Konsequenzen aus dem „katastrophalen Wahlergebnis“ gefordert. „Wir haben eine der bittersten Niederlagen erfahren“, so der Abgeordnete aus Marzahn-Hellersdorf. „Liebe SPD“, forderte er, „ich denke, wir müssen darüber reden.“

Wie Saleh gilt auch Kohlmeier nicht unbedingt als Grünen-Freund. Nach dem Fernsehduell im RBB hatte er sich über Twitter herabwürdigend über die grüne Spitzenkandidatin Ramona Pop geäußert. „Was ist so unendlich wichtig für Sie, ob BER Ende 2017 oder Anfang 2018 öffnet? Die Kleiderwahl für Eröffnungsfeier??“

Die Manöverkritik über das schlechte Wahlergebnis war bereits Thema beim SPD-Landesvorstand am vergangenen Montag gewesen. Dabei hatten sich auch zahlreiche Kreis-Chefs kritisch zu Wort gemeldet. Michael Müller hatte zugesichert, dass seine Partei auch eine externe Wahlanalyse beauftragen werde.

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