Sieg für St. Pauli: Die Stunde der stummen Diener

Die Fußballer des FC St. Pauli besiegen vor heimischer Kulisse die bis dahin ungeschlagenen Kaiserslauterer mit 1:0 (0:0). Entscheidend sind Stürmer Daniel Ginczek und zwei gut postierte Torpfosten.

Erfolgreiche Zusammenarbeit: das Team des FC St. Pauli und ihr Pfosten (links). Bild: dpa

Am Anfang war Stille. 12 Minuten und 12 Sekunden stimmen die 21.045 Fans am ausverkauften Millerntor aus Protest gegen die umstrittenen DFL-Sicherheitsrichtlinien keine Fangesänge an. Und auch auf dem Platz setzen die stummsten aller versammelten Akteure in diesen ersten Minuten der Partie des FC St. Pauli gegen Kaiserslautern die Akzente: die Torpfosten. Sie halten das ohne lautstarke Unterstützung zunächst verschlafen auftretende Hamburger Team im Spiel.

Nach acht Minuten ist der linke Pfosten zur Stelle, als Abwehrspieler Jan-Philipp Kalla eine Kaiserslauterner Flanke zur Ecke klären will, den Ball aber volley in Richtung eigenes Tor katapultiert. In seiner 21-jährigen Fußballlaufbahn habe ihr Sohn noch nie ein Eigentor erzielt, wird Mama Eva Kalla später behaupten, und diesmal vereitelt das Aluminium die Premiere.

Zwei Minuten später steht es erneut im Weg, als der Kaiserslauterer Ariel Borysiuk aus 20 Metern Maß nimmt. Bevor der rechte Torpfosten sich über mangelnde Beteiligung beschweren kann, darf er eine Minute später einen Kopfball des Kaiserslauterner Sturmführers Mohamadou Idrissou entschärfen. Sekunden danach setzen endlich die Fangesänge ein und es beginnt die Phase, von der St. Paulis Jan-Philipp Kalla später sagt: „Nach den Pfostenschüssen waren wir wach.“

Was zunächst wenig nützt. Der 1. FC Kaiserslautern kontrolliert auch den Rest der ersten Halbzeit und lässt ahnen, warum er das einzige noch ungeschlagene Team im deutschen Profifußball ist. Die „roten Teufel“ sind den ziemlich grün wirkenden Hamburgern, in deren Reihen sechs Jungprofis stehen, die nicht älter als 21 Jahre sind, in allen Belangen überlegen. Kaiserslautern ist schneller, aggressiver, präziser und kreativer als die Kiezkicker, die es zwar irgendwie schaffen, den Kaiserslauterner Führungstreffer zu verhindern, selbst aber keine klare Torchance bis zur Pause zustande kriegen.

Auch in der zweiten Halbzeit, als nun die Hamburger auf das Tor mit den magischen Pfosten anrennen, ändert sich das Bild zunächst nicht. Kaiserslautern agiert, St. Pauli reagiert. Doch nach einer Stunde scheinen die Kaiserslauterer selbst nicht mehr daran zu glauben, dass ihr Aufwand mit mehr als Aluminiumtreffern belohnt wird, schalten einen Gang zurück und lassen die Hausherren besser ins Spiel kommen.

Besonders dem einzigen nominellen Stürmer, Daniel Ginczek, gelingt es, sich nun besser in Szene zu setzen, auch wenn er nach 64 Minuten einen Traumpass von Florian Kringe nicht unter Kontrolle bekommt und eine Minute später nach tollem Solo nur knapp verzieht.

Weitere 80 Sekunden später steht er dann bei einer scharfen Hereingabe von Christopher Buchtmann goldrichtig, muss den Ball aus zehn Zentimetern nur noch über die Torlinie drücken, setzt ihn aber stattdessen gegen den rechten Torpfosten. Der aber leistet erneut treue Dienste, lässt den Ball auf Ginczeks Fuß zurückprallen, von wo er nun endlich den Weg ins Netz findet.

Ein „Zitterfüßchen“ habe er in dieser Situation gehabt, wird Ginczek später bekennen, aber auf das Torgestänge habe man sich heute verlassen können – das Aluminium agierte zwar ohne einen Funken Laufbereitschaft, war aber extrem stark im Stellungs- und Passspiel.

Kaiserslautern scheint nun vollends zu resignieren. Nur noch ein, zwei Bälle bringt der Aufstiegskandidat gefährlich vor das Hamburger Tor, während die Gastgeber – euphorisiert durch ihre Führung – nun das Spiel diktieren. Die 1:0-Führung hält so bis zum Schlusspfiff, mit dem sich zwei Sachen unwiderruflich verändern: Der 1. FC Kaiserslautern ist nicht mehr das einzig unbesiegte Profiteam und der Begriff „Vollpfosten“ ab sofort kein Schimpfwort mehr am Millerntor.

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