Radikaler Preisverfall: Die Milch macht traurig

Landwirte kurven mit Treckern durchs Land und protestieren gegen niedrige Milchpreise. Deutschland und Frankreich wollen jetzt intervenieren.

Milchbauer zwischen Traktorreifen

Über die finanziellen Verhältnisse dieses Milchbauern bei einem Protest in Schwerin diese Woche liegen keine Informationen vor. Foto: Jens Büttner/dpa

BERLIN taz | Für 28 Cent pro Liter verkaufen Landwirte ihre Milch, für fast 40 Cent produzieren sie. Da stimmt rein betriebswirtschaftlich etwas nicht. Viele deutsche Milchbauern sehen ihre Existenz bedroht. Dagegen protestieren sie.

Über 80 Traktoren sind es, die am Freitag durch Freiburg fahren, teils freudig begrüßt, teils skeptisch beäugt von den Passanten. Die Bauern trinken Bier, diskutieren, informieren. Auf seiner Homepage berichtet der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) über diese Tour, die eine von vieren ist. Sie alle haben ein gemeinsames Ziel: München. Am Dienstag um 11 Uhr wollen die Bauern auf dem Rathausplatz für gerechte Milchpreise demonstrieren.

Ihre Forderungen sind klar: Von 28 Cent pro Liter kann kein Hof überleben, die Produktionskosten liegen je nach Region über 40 Cent, wie der BDM auf seine Website schreibt. „Das trifft alle Milchbauern hart, von kleinen Höfen bis zu großen Betrieben, überall in Deutschland und Europa“, sagt Hans Foldenauer taz.de, Landwirt aus dem Allgäu und Sprecher des BDM.

Wenn die Quote fehlt

Grund für den radikalen Preisverfall von Milch ist unter anderem das Ende der so genannten Milchquote seit April 2015. Seit mehr als 30 Jahren war geregelt, wie viel Milch ein Betrieb, nach Größe gestaffelt, produzieren durfte.

Wer mehr melken wollte, musste draufzahlen. Als Folge der EU-Agrarpolitik fiel die Quote, jeder Bauer durfte nun so viel Milch auf den Markt bringen, wie sein Betrieb konnte. Die Auswirkungen waren schnell zu spüren: Höheres Angebot bei gleicher Nachfrage sorgten für sinkende Preise, zuletzt so weit, dass sich die Produktion nicht mehr rechnet.

Der BDM fordert jetzt die Politik auf, den Landwirten zu helfen. Zum einen soll die Milchschwämme durch eine erneute Deckelung begrenzt werden. Langfristig wollen die Bauern einen freiwilligen Produktionsstopp gegen staatliche Vergütung erreichen. So könnten die Milchpreise wieder steigen und die Bauern wieder von ihren Höfen leben.

Die Krise der Milchbauern, so heißt es vom BDM, habe auch Auswirkungen auf den gesamten ländlichen Raum. Daher sei es unverständlich, dass „weiter auf bessere Marktzeiten gehofft werden soll“. Die Milchbauern richten ihre Forderungen nicht nur an die Bundesregierung mit Agrarminister Christian Schmidt, sondern auch an CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer, der wiederholt die Bedeutung der Landwirtschaft, gerade in Bayern, betont hat. Auch deshalb wurde München als Ort der Kundgebung am 1. September ausgewählt.

EU könnte aufkaufen

Die Regierungen von Deutschland und Frankreich sind sich der Not der Bauern durchaus bewusst. So fordern sie die EU-Kommission laut eines Berichts des Spiegel auf, die Subventionen für die Landwirte zu einem früheren Datum zu überweisen. Damit soll es für die Bauern leichter werden, ihre Rechnungen zu zahlen.

Außerdem schlug die französische Regierung vor, den so genannten Interventionspreis von 22 auf 26 Cent pro Liter anzuheben. Sollte der Milchpreis unter diese Marke fallen, hat sich die EU verpflichtet, Überschüsse an Butter und Magermilchpulver aufzukaufen. Über diese Vorschläge soll im Rahmen des EU-Agrarrats am 7. September in Brüssel beraten werden.

Noch rollen die Traktoren durchs Land. Am Freitag kam einer der Konvois bei Freiburg an der französischen Grenze vorbei und traf dort auf Milchbauern aus dem Nachbarland. „Das Problem ist ja in ganz Europa spürbar“, sagt Hans Foldenauer. Er freut sich über die Unterstützung aus dem Nachbarland: „Immer mehr Milchbauern merken jetzt, dass es an der Zeit ist, gemeinsam zu marschieren. Das treibt an“. Er selbst hofft, dass er auf seinem Hof im beschaulichen Irsee bald wieder gewinnbringend Milch produzieren kann.

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