Putin zu Besuch in Peking: Militärische Hilfe, ganz zivil

Ohne chinesische „Dual Use“-Güter würde Putins Kriegsmaschinerie nicht so funktionieren. Auch darum dürfte es beim Besuch in China gehen.

Überreste von Raketen

Gesammelte Überreste russischer Raketen in Charkiv Foto: libkos/ap

PEKING taz | Die grauen Mauern der russischen Botschaft in Peking, immerhin eine der größten diplomatischen Vertretungen der Welt, werden dieser Tage von besonders perfiden Bildern geziert. Seite an Seite prangen dort Fotografien von ­Sowjetsoldaten aus dem Zweiten Weltkrieg neben russischen Spezialkräften in der Ukraine. „Wir haben damals gewonnen, und wir werden auch jetzt gewinnen“, steht dort in kyrillischen Buchstaben. Und in chinesischen Schriftzeichen: „Der Sieg ist unser.“

Inwieweit Xi Jinping seinem „alten Freund“ Wladimir Putin bei dessen imperialistischen Ambitionen unterstützt, ist für viele Staatschefs in Europa eine der zentralen Fragen. Am Donnerstag wird sie jedoch öffentlich nicht thematisiert werden: Dann nämlich trifft Putin in der chinesischen Hauptstadt ein. Es ist die erste Auslandsreise nach Antritt seiner fünften Amtszeit als russischer Präsident.

Das genaue Programm des Gipfeltreffens ist in Geheimniskrämerei gehüllt. Nicht einmal 48 Stunden vor dem geplanten Beginn hat das chinesische Außenministerium das Treffen zwischen Putin und Xi überhaupt bestätigt. Doch als gesichert gilt, dass Pekings Parteiführung dem hohen Gast aus Moskau wohl den roten Teppich ausrollen wird. Dass kritische Fragen besprochen werden, lässt sich zwar nicht ausschließen. Aber nach außen wird von etwaigen Unstimmigkeiten sicherlich nichts dringen.

Dabei gäbe es einiges zu besprechen. Die Vorwürfe des politischen Westens liegen auf dem Tisch. Während Olaf Scholz eine freundliche Rhetorik bei seinem jüngsten Pekingbesuch gewählt hat, sprach US-Außenminister An­tony Blinken unlängst Klartext: „Wenn China behauptet, gute Beziehungen zu Europa und anderen Ländern zu wollen, darf es nicht gleichzeitig die größte Bedrohung für die europäische Sicherheit seit dem Ende des Kalten Krieges schüren.“

Schlüsselrolle chinesischer Exporte für Russlands Krieg

Fakt ist: Der bilaterale Handel zwischen den zwei Staaten boomt, seit Putin im Februar 2022 seine Panzer Richtung Kyjiw geschickt hat. Während China günstiges Öl aus Russland einkauft, sind auch dessen Exporte um rund 60 Prozent gestiegen.

Doch die Vorwürfe der USA und der EU gehen über das reine Geschäftemachen hinaus: So lautet die Kritik, dass China im großen Stil sogenannte „Dual Use“-Güter nach Russland liefert. Dabei handelt es sich um Produkte, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können: Drohnenmotoren zum Beispiel, optische Sensoren, Werkzeugmaschinen oder Chemikalien zur Herstellung von Raketentreibstoff.

Der Forscher Nathaniel Sher vom Washingtoner Carnegie Endowment for International Peace hat zuletzt die öffentlich zugänglichen Zolldaten Chinas flächendeckend ausgewertet. Seine Studie kommt zu einem ernüchternden Ergebnis: Von den rund 50 Produkten, die der Westen wegen ihrer Gefährlichkeit mit „hoher Priorität“ einstuft, hat Russland nahezu 90 Prozent aus China bezogen – entweder als Reexporte oder direkt in der Volksrepublik produziert. 2021 betrug der Anteil gerade einmal rund 30 Prozent.

„Folglich haben chinesische Exporte eine Schlüsselrolle bei der Aufrechterhaltung von Moskaus Kriegsanstrengungen gespielt“, schreibt Experte Sher: „Die Versorgung Russlands mit „Dual Use“-Gütern anstelle von fertigen Waffen hat es China ermöglicht, Russland zu unterstützen und das gleichzeitig plausibel zu bestreiten“, heißt es in der Studie.

Zumindest ein potenzieller Positivtrend lässt sich aus den ausgewerteten Daten ableiten. Betrug der Wert solcher „hochpriorisierten Dual-Use-Güter“ im Dezember noch rund 600 Millionen US-Dollar, sind es derzeit nur mehr die Hälfte.

Zuletzt hat Xi Jinping in Paris dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron versprochen, den Export von „Dual Use“-Gütern nach Russland „streng zu kontrollieren“. Doch die Europäische Union wäre gut beraten, den 70-jährigen chinesischen Staatschef an seinen Taten zu messen – und seine Worte nicht für bare Münze zu nehmen.

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