Prozess gegen Polizisten: Gepfefferte Strafe für Lügner

Ein Polizist wurde wegen Strafvereitelung im Amt verurteilt. Er wollte einen Kollegen decken, der am 1. Mai 2014 einen Unbeteiligten mit Pfefferspray attackiert hatte.

Okay: Auch die Gegenseite war nicht zimperlich. Mit dem fraglichen Pfeffersprayeinsatz hatte diese Flasche aber nichts zu tun. Bild: dpa

Zehn Sekunden nur dauert das Video, doch die haben es in sich: Eine Aufnahme vom 1. Mai im vergangenen Jahr zeigt eine Szene am Kottbusser Tor, ein paar Schaulustige stehen neben einer Gruppe Polizisten. Plötzlich zieht einer von ihnen sein Pfefferspraygerät und sprüht einem der Umstehenden direkt ins Gesicht – ohne einen erkennbaren Anlass und ohne vorherige Kommunikation. Das Video sorgt für Empörung, der Sprüher wird schließlich von seinem Hundertschaftsführer angezeigt.

Der Beschuldigte selbst sagt aus, er sei im Vorfeld angepöbelt und angegriffen worden. Diese Darstellung wird durch die fast identische Aussage von Thomas G., einem zweiten Polizisten, bestätigt, der ebenfalls gesehen haben will, dass das Opfer des Pfefferspray-Angriffs vorher die Polizei angepöbelt habe.

Doch das war offenbar gelogen: Am Mittwoch wurde G. vor dem Kriminalgericht zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 70 Euro, insgesamt 6.300 Euro, verurteilt. Die Richterin sah es als erwiesen an, dass G. sich nicht bloß falsch erinnere, sondern bewusst und vorsätzlich eine falsche Aussage gemacht habe, um seinen Kollegen zu schützen. Damit folgte das Gericht der Auffassung und dem vorgeschlagenen Strafmaß der Staatsanwaltschaft.

In dem Prozess gegen seinen Kollegen hatte G. ausgesagt, das Opfer sei mit zwei anderen Männern immer wieder in Richtung der Polizeibeamten gesprungen, die drei hätten in bayerischem Dialekt die Polizisten angepöbelt. Davon ist in dem Video jedoch nichts zu sehen: Das Opfer steht unbeteiligt da und hält Händchen mit seiner Freundin – Bayerisch spricht auch niemand.

Im Prozess gegen den Sprüher, Gruppenführer in der Einsatzhundertschaft der Kreuzberger Direktion 5, wog die Beweislast des Videos dann auch schwerer als die deckungsgleichen Aussagen der beiden Polizisten: Im Juni wurde er wegen Körperverletzung im Amt zu einer auf drei Jahre ausgesetzten Bewährungsstrafe von neun Monaten verurteilt.

Verwechslung ausgeschlossen

Thomas G. aber blieb trotzdem bei seiner Aussage – und wurde ebenfalls angezeigt: Strafvereitelung im Amt lautet der Straftatbestand, schließlich hätte die Falschaussage ohne den Videobeweis zu einem Freispruch führen können.

Eine Verwechslung sei ausgeschlossen, so die Richterin in ihrer Urteilsbegründung. Schließlich habe es in dieser Situation nur diesen einen Pfefferspray-Einsatz gegeben. „Dass Sie Wochen nach der Tat eine Aussage gemacht haben, die praktisch den gleichen Wortlaut wie die ihres Kollegen hatte, war, vorsichtig formuliert, nicht sehr überzeugend“, sagt die Richterin. Thomas G. habe ausreichend Gelegenheit gehabt, sich von seiner Aussage zu distanzieren, schließlich habe auch sein Kollege mittlerweile eingeräumt, das Geschehen könne sich vielleicht doch etwas anders zugetragen haben. Besonders schwer wiege, dass durch die Falschaussage „das Vertrauen der Bevölkerung in Polizeibeamte erschüttert“ werde.

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„Wir kamen gerade vom Myfest und wollten nur mal ein bisschen gucken“, sagt der Mann, der die Pfefferspray-Attacke abbekommen hatte. Er habe nach dem Angriff 20 Minuten nichts sehen können und noch Tage danach Augen- und Atemwegsprobleme gehabt, wie ein Attest bestätigt. Er wurde in beiden Prozessen ebenso gehört wie der Mann, der die Szene gefilmt hatte, ein Berliner Fotografie-Professor, der nach eigener Aussage nur seine neue Handykamera testen wollte.

Die Verurteilungen begrüße er, sagt der Filmer gegenüber der taz. „Ich war schockiert über das, was ich da gesehen habe, und gleichzeitig froh, dass ich mit dem Video für einen Beweis gesorgt hatte – zum Glück hat das auch für eine Verurteilung gereicht.“

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