Missbrauchs-Prozess in Hamburg: Kein bisschen Scham

Vor dem Landgericht beginnt der Prozess gegen fünf Jugendliche wegen Vergewaltigung einer 14-Jährigen. Ein Angeklagter provoziert.

Angeklagte im Saal des Hamburger Landgerichts

Sind noch minderjährig: vier der fünf Angeklagten im Vergewaltigungsprozess. Foto: dpa

HAMBURG taz | Er streckt die Arme in die Luft, ballt die Hände zu Fäusten und schaut mit gerecktem Kinn ins Publikum. Dort, hinter der Glasscheibe, die in dem großen Saal des Landgerichts die Zuschauer von Schöffen, Richtern und Angeklagten trennt, ist ein großer Kerl mit gegelten Haaren und gespiegelter Sonnenbrille vor der Stirn aufgestanden, die Fäuste in der Luft, die Brust geschwellt. Es wirkt wie eine Machtdemonstration. Weder der 16-Jährige Angeklagte K. noch seine zahlreichen Unterstützer in den Zuschauerreihen zeigen sich beschämt über den Vorwurf der Anklage: schwerer sexueller Missbrauch und gefährliche Körperverletzung.

Gemeinsam mit drei anderen Jugendlichen zwischen 14 und 21 Jahren soll K. im Februar in Harburg ein 14-jähriges Mädchen vergewaltigt und mit Gegenständen missbraucht haben, als diese betrunken und wehrlos auf einem Sofa lag.

Das Opfer soll sich dabei übergeben und geschrien haben. Später sollen drei der Jugendlichen die Besinnungslose in den Innenhof geschleift und dort in Bluse und Unterwäsche bei Temperaturen um den Gefrierpunkt liegen gelassen haben. Wegen Beihilfe und unterlassener Hilfeleistung ist auch eine 15-Jährige angeklagt. Sie soll den Missbrauch mit dem Handy gefilmt haben.

Grinsend und zwinkernd

Die fünf Angeklagten sitzen mit ihren Verteidigern in der ersten Reihe. K., ein sportlicher Typ mit an den Seiten kahlrasiertem Kopf, grinst und zwinkert seinen Freunden zu. Die anderen Jugendlichen verhalten sich ruhiger, werfen nur mal einen Blick zum Publikum oder winken, wenn sie jemanden auf den Holzbänken erkannt haben. Hinter ihnen sitzen ihre Mütter. Der Prozess findet vor einer Jugendstrafkammer des Landgerichts statt.

Während Staatsanwalt Jürgen Aßmann die Details der Nacht im Februar verliest, wird es still im Saal. Das 14-jährige Opfer, das zum Zeitpunkt der Tat unter der Obhut des Jugendamtes Wandsbek stand und in einer Jugendwohnung lebte, hatte in dem Innenhof durch Schreie auf sich aufmerksam gemacht. Polizisten fanden sie und brachten sie ins Krankenhaus. Ihre Körpertemperatur lag da nur noch bei 35,4 Grad. Sie hatte 1,9 Promille Alkohol im Blut und musste auf der Intensivstation behandelt werden.

In dem Prozess tritt das Mädchen als Nebenklägerin auf. Aber beim ersten Verhandlungstag ist sie nicht im Saal. Nach der Verlesung der Anklage schickt Richter Georg Halbach die zahlreichen Zuschauer und Medienvertreter vor die Tür. Bis zum Urteil werde die Öffentlichkeit ausgeschlossen, um die Persönlichkeitsrechte der minderjährigen Angeklagten zu schützen, sagt er.

Vor der grauen Tür zum Sitzungssaal sammelt sich eine Gruppe junger Männer. Der Kerl mit Sonnenbrille aus dem Zuschauerraum ist dabei.

Unterstützer pöbeln

Sie, die vor dem Prozess Fotografen angepöbelt haben, weil sie auf dem Gang fotografiert wurden, sprechen nun bereitwillig mit den Journalisten. „Das war doch gar nichts, keine Vergewaltigung“, sagt einer und verschränkt die Arme vor der Brust. „Sie hat nicht gesagt, dass sie 14 ist“, ein anderer.

Ihre Namen wollen sie lieber nicht nennen. Als Antwort kommt stattdessen: „Gib mir erst deine Nummer. Dann gehen wir mal essen.“ Der Typ mit der Sonnenbrillen stimmt ein: „Nee, ich steh mehr auf die Dünne da drüben“ und zeigt auf eine andere Journalistin. Als hätten sie ihre Haltung gegenüber Frauen noch demonstrieren müssen.

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