Komödie „Birdman“ im Kino: Schauspieler bei der Arbeit

Tragikomische Logik und rasanter Slapstick von Alejandro González Iñárritu: „Birdman oder Die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit“.

Michael Keaton (l.) und Edward Norton, Szene aus „Birdman“.

In der Rolle des Superhelden Birdman hat es der Schauspieler Riggan Thomson in Hollywood zu Berühmtheit gebracht. Aber jetzt verlangt es den in die Jahre gekommenen Star auch nach künstlerischer Credibility.

Er hat Kurzgeschichten von Raymond Carver für die Bühne adaptiert. Es stehen bereits die Vorpremieren an, und Riggan, der mitspielt und inszeniert, sieht sich nicht nur von Visionen seines Superhelden-Alter-Egos und von Lampenfieber heimgesucht, er hat zwischen Garderobe und Bühne des New Yorker St. James Theatre mit diversen Mitwirkenden auch weltliche Probleme zu bewältigen.

„Birdman“, so wie Riggans Glanzrolle, heißt auch der Film von Alejandro González Iñárritu: Der Mexikaner wurde mit Filmdramen wie „Babel“ oder „21 Gramm“ berühmt, die die Verwerfungen der globalisierten Gegenwart in allzu kunstvoll arrangierte Verkettungen übersetzten. Beim Festival in Venedig überraschte Iñárritu deshalb einigermaßen, als er mit „Birdman“ nun eine rasante, aber vergleichsweise kompakt gehaltene Backstagekomödie vorstellte.

Kunstvolle Verkettungen

„Birdman oder Die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit“. Regie: Alejandro González Iñárritu. Mit Michael Keaton, Emma Stone u. a. USA 2014, 119 Min.

Zum Jahresende dominierte der Film bereits die Bestenlisten und aktuell ist er einer der Oscar-Favoriten 2015 . Der Regisseur und seine drei Koautoren setzen auf die Qualitäten einer gut geölten, klugen Boulevardtheatermaschine. Die Erzählung hält sich streng an die Regeln der klassischen Dramatik und wahrt Einheit von Ort, Zeit und Handlung – und zwar auch insofern, als die einzelnen Episoden des Films jeweils in einer ungeschnittenen Aufnahme abrollen und die Übergänge von einer Episode zur nächsten so weich gesetzt sind, dass der ganze Film wie eine einzige Aufnahme wirkt.

Das erzeugt nicht nur dank der Kameraarbeit von Emmanuel Lubezki den Eindruck größter Geschmeidigkeit. Der famose Score von Antonio Sanchez tut das Seine, und auch der Schauplatz des Geschehens ist klug gewählt: Der Kameraarbeit entgegen kommt die Architektur des seit 1927 in Betrieb befindlichen Theatergebäudes. Die Dringlichkeit des Gesagten wird in Steadicamgängen noch unterstrichen. Das Treppauf, Treppab hinter der Bühne spiegelt Befindlichkeiten. Und für ein irrwitziges Slapsticksolo von Riggan spielt die Lage am Broadway eine wichtige Rolle.

Ein solches Konzept verlangt dem Ensemble vor der Kamera Konzentration ab, sie überträgt sich gewissermaßen. Die Besetzung ist hochkarätig, Naomi Watts, Emma Stone, Amy Ryan, Andrea Riseborough geben die Sparringpartnerinnen auf und hinter der Bühne, Zach Galifianakis den Manager und Vertrauten von Riggan.

Am stärksten bleiben die Zweikämpfe von Keaton und Spargeltarzan Edward Norton in Erinnerung, die auch physisch ausgetragen werden. Man kann auch sagen, „Birdman“ ist ein Film über Schauspieler bei der Arbeit, der Hollywoodstars mit künstlerischem Anspruch eine adäquate Bühne gibt, wo sie im Performen total aufdrehen können und dann auf den Punkt das Register wechseln. Szenenapplaus.

Auf der diskursiven Ebene gibt es fortwährend solche Interferenzen, Verwischung der Ebenen – nicht nur weil Riggan von Michael Keaton verkörpert wird: Der stand bekanntlich 1989 und 1992 für Tim Burton als „Batman“ vor der Kamera.

Ernsthaft und albern

Das klingt so ähnlich wie „Birdman“, und dieses Spiel mit Referenzen betreibt der Film halbwegs ernsthaft und albern gleichermaßen. So oder so macht das großen Spaß. Wahrscheinlich auch, weil es sich in genau jenem Mainstreamrahmen bewegt, der so schnell keinen ausschließt. „Birdman“ imitiert den Gestus des nerdigen Referenzierens nur.

Das kalifornische Animationsfilmstudio Hanna-Barbera hatte übrigens in den späten Sechzigern tatsächlich einen Comichelden namens Birdman. Zur selben Zeit wie diese TV-Serie, die nicht zuletzt in Mexiko populär gewesen sein dürfte, machte auch ein animierter Spider-Man im US-Fernsehen Furore. Dass man sich heute vor allem an Letzteren erinnert, passt auch in die tragikomische Logik von Iñárritus sehenswertem Film.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.