Kommentar Wikileaks: Die großen Zeiten sind vorbei

Wikileaks’ unkuratierte Veröffentlichung von Daten gefährdet Privatpersonen. Und die brisanten Leaks der letzten Jahre machten andere.

Julian Assange auf einer Leinwand, im Vordergrund sitzen Menschen

Was wurde nur aus seinem Projekt? Julian Assange als Videogast bei einer Journalistenkonferenz Anfang Juli in Chile Foto: reuters

Daten sind gefährlich. Das gilt nicht nur für Regierungen, sondern auch für Privatpersonen, zeigt ein Blick in die Türkei. Vor einer Woche veröffentlichte die Enthüllungsplattform Wikileaks mit großer Geste 300.000 „Erdoğan-E-Mails“. Später stellte sich heraus, dass von Erdoğan selbst gar keine E-Mails dabei sind.

Mehr noch: Die Publizistin Zeynep Tufekci wies jetzt darauf hin, dass Wikileaks Links zu einer Datenbank mit – Stichproben zufolge aktuellen – Privatadressen fast aller erwachsenen Frauen in der Türkei verbreitete. Persönliche Daten von Millionen Privatpersonen im Netz: Was war noch gleich so großartig an diesem Leak?

Auch in den USA wurden dieses Wochenende Dokumente veröffentlicht. 20.000 E-Mails sollen zeigen, dass die Parteiführung der Demokraten schon seit Langem gegen Sanders intrigierte. Die Vorsitzende trat daraufhin zurück.

Im Vergleich zu früheren Wikileaks-Enthüllungen ist das eher ein machtpolitisches Detail – und erst recht im Vergleich zu den Türkinnen, deren Adressen nun anscheinend jeder leicht herausfinden kann. Angesichts der politischen Situation in der Türkei ist das mehr als besorgniserregend.

Vor zehn Jahren war Wikileaks mit dem Ziel angetreten, unethisches Verhalten in Politik und Wirtschaft aufzudecken. Die Methode, unkuratiert Daten zur Verfügung zu stellen, wurde dabei immer wieder kritisiert, aber für die brisanten Informationen letztlich in Kauf genommen. Dokumente über die Kriege in Afghanistan und dem Irak waren dabei, die Guantánamo-Papiere ebenso.

Das ist lange her. Die politisch wirklich brisanten Datenleaks der letzten Jahre kamen von Rechercheverbänden wie dem International Consortium of Investigative Journalists. Und: Panama Papers, Luxemburg-Leaks und NSA-Papiere waren kuratiert.

Parteiinterne Machtspielchen, durch leichtfertige Verlinkungen gefährdete Persönlichkeitsrechte – nach zehn Jahren scheint Wikileaks den ursprünglichen Anspruch aus den Augen verloren zu haben.

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Stellvertretende Chefredakteurin der taz seit April 2016. Vorher Chefredakteurin des Missy Magazine. Aufgewachsen in Dresden. Schreibt über Kultur, Feminismus und Ostdeutschland. In der Chefredaktion verantwortlich für die digitalen Projekte der taz. Jahrgang 1985.

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