Kommentar Karstadts Sanierungskonzept: Kräftig holzen

Karstadt will und muss Stellen streichen. Allerdings dürften es deutlich mehr werden als bisher angenommen. Bis zu 3.400 Jobs sind in Gefahr.

Karstadt-Filiale in Köln: Für Brancheninsider ist längst klar, dass hierzulande höchstens eine Warenhauskette überleben kann. Bild: dpa

Sechs Karstadt-Häuser mit 350 Stellen sollen laut Aufsichtsrat dichtmachen. Doch das ist nur die halbe Wahrheit: Wer die Ankündigungen genauer liest, kommt auf bis zu 3.400 Stellenstreichungen. Der Traum vom Superinvestor Nicolas Berggruen, der selbstlos Millionen in die Renovierung der Supermarke Karstadt steckt, ist ausgeträumt. Jahrelang wurde geschlafen, die Situation von Karstadt ist dramatisch.

Seit der Insolvenz 2009 hat die Warenhauskette fast 30 Prozent der Kunden zwischen 35 und 40 und, noch viel schlimmer, über 55 Jahren verloren. Das Sanierungskonzept namens „Fokus +“ soll nun binnen drei Jahren in die schwarzen Zahlen führen – unmöglich, wenn der neue Chef Stephan Fanderl dafür nicht noch kräftiger holzt als jetzt angekündigt.

„Fokus +“, das heißt, dass aus einem Jahresverlust von 120 Millionen Euro ein Plus werden muss. Die offizielle Lesart der Aufsichtsratssitzung vom Donnerstag ist deshalb nur die halbe Wahrheit. Wenn Karstadt wieder profitabel werden soll, muss Fanderl das Traditionshaus noch viel radikaler eindampfen als bisher bekannt.

Das heißt nicht nur, sechs Filialen dichtzumachen, sondern sogar noch bis zu zehn weitere Warenhäuser. Das kündigt der inzwischen dritte Chef in diesem Jahr sogar indirekt an. Über die 2.000 Karstadt-Jobs hinaus, die laut Ver.di in Gefahr sind, dürften in absehbarer Zeit viel mehr der Rendite geopfert werden. Wenn der Personalstand, so Fanderl, um bis zu 20 Prozent zu hoch ist, stehen insgesamt wohl bis zu 3.400 der 17.000 Arbeitsplätze in den Filialen und der Zentrale zur Disposition.

Für die Verbliebenen fordert das Management längst eine Kürzung des Weihnachts- und Urlaubsgelds sowie einen Verzicht auf Tariferhöhungen ein. Arbeitnehmervertreter poltern nun, hier werde „überstürzt“ gehandelt. Fehlanzeige. Es ist vielmehr so, dass sehr schnell gehandelt werden muss, damit der neue Investor René Benko nicht die Lust am Konzern verliert.

Für Brancheninsider ist längst klar, dass in Zeiten von Onlineshopping und Shop-in-Shop-Malls auf absehbare Zeit hierzulande höchstens eine Warenhauskette überleben kann. Die Metro-Gruppe mit ihrer bescheidenen, aber soliden Marke Kaufhof macht vor, wie großflächiger Einzelhandel funktionieren kann. Fanderl hält die Fusion der Ketten für eine „Fantasie“ – viel davon ist nötig, um das Konzept Warenhaus in Deutschland über die Zeit zu retten.

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Ist Leiter des Ressorts Wirtschaft und Umwelt. Er hat in Bonn und Berlin Wirtschaftsgeschichte, Spanisch und Politik studiert. Ausbildung bei der Burda Journalistenschule. Von 2001 bis 2009 Redakteur in Bremen und Niedersachsen-Korrespondent der taz. Dann Financial Times Deutschland, unter anderem als Redakteur der Seite 1. Seit 2012 wieder bei der taz.

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