Kirchenschauen: St. Norbert sieht schmuddelig aus

Ein Schnitzelbrötchen und ein Sakralbau aus Beton können einen Sonntag retten. Unser Autor hat sich durchgeschlagen.

Kirche St. Norbert an der Schöneberger Dominicusstraße.

Kirche St. Norbert an der Schöneberger Dominicusstraße Foto: Louis Berger

Erlaube ich mir, an einem Sonntag sehr spät aufzustehen, obwohl ich nicht bis in die Morgenstunden feiern war? Ich erlaube es mir. Dieser Sonntag ist sowieso grau und hält nicht, was die Wettervorhersage noch Mitte der vergangenen Woche versprach: Wärme. Da kann ich schon mal die Hälfte des Tages verschlafen.

Allerdings ist der Sonntag nur da, weil Jesus an einem Sonntag von den Toten auferstanden ist. „Sine dominico non possumus“, ohne den Tag des Herrn können wir nicht leben, so formulieren es gute Ka­tho­li­k*in­nen und besuchen die Heilige Messe. Dazu kann ich mich in meinem Aber-Zustand nicht aufraffen. Mir fällt jedoch etwas anderes ein, das dem nahekommt.

Um meinen Plan in die Tat umzusetzen, muss ich meine Untermiete in Friedrichshain verlassen und am RAW-Gelände entlanglaufen. Aus den freudigen Gesichtern, die mir entgegenkommen, spricht unübersehbar: Es ist wieder Flohmarkt. Ich lasse mich dennoch nicht von meinem Vorhaben abbringen.

Ein Schnitzelbrötchen vom Rewe to go an der Warschauer Straße wird mich stärken, denke ich mir. Dort ist die Schlange an Sonntagen immer ziemlich lang, aber die freundlichen Angestellten kennen mich schon: „Wie immer?“ „Ein Schnitzelbrötchen, bitte!“ „Noch einen Blaubeermuffin dazu?“ „Nein, danke!“ „Dann einen schönen Sonntag!“ „Dankeschön!“ So ein Schnitzelbrötchen schmeckt stets besser als es aussieht. Die Panade ist etwas feucht und damit auf nüchternen Magen genießbar.

Betonkirchenfreude

Kurz bevor die U1 einfährt, habe ich das Brötchen aufgegessen. Sein Geschmack begleitet mich aber bis ich am Nollendorfplatz aussteige. Eigentlich ist der noch zu weit von meinem Ziel entfernt. Ich müsste nochmal in die U4 einsteigen. Dafür fehlt aber die Lust. Ein paar Schritte mehr am Tag können nicht schaden, sage ich mir. Also gehe ich in Richtung Süden los – an St. Matthias vorbei, die Goltzstraße entlang, lasse die Apostel-Paulus-Kirche hinter mir und weiter bis ich irgendwann die Hauptstraße ablaufe.

Unterdessen kommen andere Menschen ihren Sonntagsaktivitäten nach. Sie trinken Kaffee oder stehen (obwohl wir nicht in Kreuzberg sind) in einer langen Schlange vor einem Laden, der Gemüse Kebab verkauft. Als ich an ihr vorbeigehe, sehe ich, dass die Menschen langsam unruhig werden. Kreuzung Hauptstraße-Dominicusstraße heißt, dass ich fast an meinem Ziel angekommen bin. Nur noch ein bisschen nach rechts, in Richtung Volkspark Wilmersdorf.

Da erhebt sich mein Ziel, die Kirche St. Norbert, wie eine aus vielen Dreiecken zusammengesetzte Burg am Straßenrand. Wenn ich mir schon keinen Gottesdienst zumuten will, schaue ich mir gerne Kirchengebäude an. Vorzugsweise wurden diese nach dem Zweiten Weltkrieg erbaut, noch lieber aus Beton. Bei St. Norbert trifft das zumindest zur Hälfte zu. Sie besteht aus einem neoromanischen Teil und zur Straße hin aus einem neuen Teil, der in den sechziger Jahren dazugesetzt wurde.

Allerdings hat der Beton einen großen Nachteil: Bei ungenügender Pflege altert er schlecht. Auch wenn die Kirche immer noch liturgisch genutzt wird, hat es die Zeit nicht gut mit ihr gemeint. Neben den üblichen Graffitis fällt mir auf, dass das Baumaterial durch Witterung und Abgase stark nachgedunkelt ist. St. Norbert sieht schmuddelig aus. Hinein komme ich leider nicht, die Türen sind (was für eine katholische Kirche unüblich ist) verschlossen.

Zum Schluss ein guter Sonntag

Mein Bedürfnis wurde trotzdem befriedigt. Ich habe den Beton gesehen und kann ein weiteres Häkchen auf meiner Liste von Berliner Kirchen machen. Irgendwann trete ich den Rückweg an, wieder vorbei an der langen Schlange vor dem Gemüse Kebab. Es hat sich nicht viel verändert. Nur noch mehr Unruhe. Schließlich hole ich mir in einem Späti am Nollendorfplatz ein kleines Flensburger Pils und steige dort in die U1.

An der Endstation angekommen, sehe ich beim Überqueren der Brücke zum S-Bahnhof Warschauer Straße noch mal die Gesichter von Menschen. Die einen wollen vielleicht zurück in ihre Wohnungen. Andere kommen gerade mit ihren Rollkoffern an. Ich spiele am Bügelverschluss meiner Flasche, die Sonne bricht kurz durch die Wolken. Es war doch noch ein guter Sonntag.

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Journo-Volo an der Katholischen Journalistenschule ifp in München - schreibt über Kirchen, Kultur und ,Neue Rechte.‘

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