Kein Investment in Klimaschänder: Göttingen will sauberes Geld

Göttingen will sein Geld nicht mehr in Unternehmen stecken, die das Klima schädigen, Waffen bauen oder korrupt sind. Denn das hat unschätzbare Vorteile.

Kein Anlageobjekt für die Stadt Göttingen mehr: Kohlekraftwerke wie das im niedersächsischen Mehrum. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

GÖTTINGEN taz | Die Stadt Göttingen wird ihr Geld künftig nachhaltig, ökologisch verträglich und nach ethischen Kriterien anlegen. Das hat der Finanzausschuss des Rates auf eine Initiative der Grünen beschlossen. Eine entsprechende Entscheidung des Kommunalparlamentes wird für diesen Freitag erwartet, CDU und FDP wollen den Antrag dem Vernehmen nach ablehnen, sie haben aber keine Mehrheit.

Göttingen folgt damit als erste niedersächsische Kommune der sogenannten Divestment-Strategie als Richtlinie für Kapitalanlagen. Ähnliche Wege haben zuvor schon Bremen, Berlin, Münster und Stuttgart beschritten oder sie angekündigt.

Nur in nette Unternehmen investieren

Das Finanzvermögen der Stadt Göttingen umfasst knapp 80 Millionen Euro, mehrheitlich sind es Pensionsrücklagen. Derzeit sei das Geld überwiegend in Form von festverzinslichen Einlagen, Sparkassenbriefen, Festgeldern sowie Sparbüchern bei deutschen Instituten angelegt, sagte Verwaltungssprecherin Stefanie Ahlborn der taz. Auch Fonds-Anlagen seien dabei. Etwa ein Viertel der Summe wird kurzfristig frei.

Entstanden ist die Divestment-Bewegung 2012. Zentrale Forderung ist der Abzug von Investitionen aus der Mineralöl-, Erdgas- und Kohleindustrie. Das Geld soll nachhaltig reinvestiert werden.

Politisches Ziel der Kampagne ist, den Einfluss dieser Industrie zu schwächen, weil sie immer wieder Schritte zur Bekämpfung des Klimawandels behindert.

Prominente Unterstützer der Divestment-Kampagne sind etwa der ehemalige UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, der ehemalige US-Präsident Barack Obama und Prinz Charles.

Die neue Anlagenrichtlinie werde keine Kapitalanlagen bei Unternehmen zulassen, die Kinderarbeit duldeten, Militärwaffen herstellten, auf Atomkraft und klimaschädliche Energien setzten oder Fracking betrieben, sagt die Grünen-Ratsfrau Dagmar Sakowsky.

Angestrebt werden auch weitere ethische Grundsätze. So soll es möglichst keine Beteiligung an Unternehmen geben, die Pflanzen und Saatgut gentechnisch verändern, Tierversuche für die Herstellung von Kosmetika machen oder denen eklatante Bestechungs- oder Korruptionsfälle nachgewiesen wurden. Seit Ende April sei auch ein im Auftrag des Landes Berlin entwickelter ethisch-ökologischer Aktienindex auf dem Markt, auf den die kommunale Finanzverwaltung zurückgreifen könne, sagt Sakowsky.

Unschätzbare Vorteile

„Wenn wir Geldanlagen tätigen, dann geben wir den Firmen die Möglichkeit, mit diesem Geld zu investieren“, beschreibt Sakowsky das Ziel der Initiative: „Wenn wir nachhaltig investieren, hat das in dreifacher Hinsicht unschätzbare Vorteile: Die Finanzen sind langfristig auf ein sicheres Fundament gestellt, wir fördern unsere nachhaltigen Klimaschutzziele und wir entziehen Firmen, die gegen grundsätzliche ethische Normen verstoßen, die Finanzierungsgrundlage.“

Der voraussichtliche Beschluss des Göttinger Rates fällt in die Zeit der „Globale Divestment Mobilisierung 2017“. Das ist eine Kampagne, in der vom 5. bis 13. Mai in 39 Ländern für den Ausstieg aus fossilen Energieträgern geworben wird. International ist die Divestment-Bewegung inzwischen gut aufgestellt. Nach Angaben der Grünen haben sich knapp 800 Städte, Hochschulen und andere Institutionen verpflichtet, ihr Kapital nach ethisch-ökologischen Kriterien anzulegen.

Auch der französische Versicherungskonzern Axa und die Allianz haben beschlossen, in Zukunft aus Klimaschutzgründen keine Kohleunternehmen mehr zu versichern. Die evangelische Kirche in Deutschland hat sich ebenfalls der Divestment-Kampagne angeschlossen.

Bremen will auch nachhaltig investieren

Praktisch zeitgleich zu Göttingen, haben in Bremen SPD und Grüne vorgeschlagen, das Geld des Landes „nach ethischen und ökologischen Kriterien“ anzulegen. Bremen darf demnach keine Landesmittel in Unternehmen investieren, die Geld mit fossilen und nuklearen Energieträgern verdienen. Ausgeschlossen sind Förderung, Transport und Vertrieb sowie Energiegewinnung. Ebenso schließt der Antrag Investitionen in Unternehmen aus, die mit Kinderarbeit, Kriegswaffen, gentechnisch veränderten Pflanzen und Tierversuchen Geld machen.

Am Donnerstag wird in der Bremischen Bürgerschaft über den Antrag abgestimmt, eine Mehrheit gilt als sicher. „Diese Woche wird Bremen endlich Divestment-Stadt“, sagt Maike ­Schaefer von den Grünen. Die Umwelt-Initiative „Fossil Free Bremen“ will den Beschluss heute Abend mit einer „Jubel-Minute“ am Bremer Roland in der Innenstadt feiern.

In Berlin hatte bereits im vergangenen Juni das Abgeordnetenhaus beschlossen, öffentliche Gelder aus Unternehmen abzuziehen, „deren Geschäftsmodell dem Ziel der Klimaneutralität widerspricht“. Jetzt hat Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) ein Konzept vorgestellt, mit der das Land seine Geldanlagestrategie – es geht vorrangig um Finanzmittel aus dem Sondervermögen „Versorgungsrücklage des Landes Berlin“ in Höhe von rund 823 Millionen Euro – nach Kriterien der Nachhaltigkeit verändern will.

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