Julian Assange über Wikileaks-Finanzen: Miese machen mit US-Depeschen
Enthüllungen als Kostenfresser: Nach Angaben von Julian Assange verliert Wikileaks jede Woche mehr als 480.000 Euro. Und ein Buchprojekt vom Wikileaks-Gründer bringt erst später Geld.
GENF dpa | Wikileaks-Gründer Julian Assange hat sich in einem Interview besorgt über die hohen Kosten der Enthüllungsplattform im Internet geäußert. "Seit Beginn der Veröffentlichung der Botschaftsdepeschen verlieren wir wöchentlich mehr als 600.000 Franken", sagte Assange der Schweizer Zeitung 24heures - umgerechnet sind das mehr als 480.000 Euro.
"Damit wir unsere Aktivitäten fortsetzen können, müssen wir dieses Geld auf die eine oder andere Weise zurückbekommen." Wikileaks finanziert sich hauptsächlich über Spenden. Die Ende November 2010 begonnene und noch nicht abgeschlossene Veröffentlichung von vertraulichen Mitteilungen aus US-Botschaften in aller Welt ist das bislang größte Projekt der Enthüllungsplattform.
Die USA haben scharf gegen die Veröffentlichungen protestiert, die interne Einschätzungen von Diplomaten weltweit bekannt gemacht haben. Mehrere US-Firmen haben ihre Geschäftsbeziehungen zu Wikileaks abgebrochen, was einen Proteststurm von Anhängern im Internet ausgelöst hat.
Der mit einem britischen Verlag geschlossene Buchvertrag für seine Autobiografie bringe ihm erst in einigen Jahren 1,1 Millionen Pfund (1,3 Millionen Euro) ein, wenn das Buch ein Erfolg werden sollte, sagte Assange und wies damit Berichte über höhere Beträge zurück.
Er zeigte sich entschlossen, das Wikileaks-Projekt wie bisher weiterzubetreiben. Zu den anstehenden gerichtlichen Anhörungen in Großbritannien sagte Assange, dazu könnten nur seine Anwälte Auskunft geben. Dem australischen Aktivisten werden in Schweden Vergewaltigung und sexuelle Nötigung vorgeworfen. Am 7. Dezember stellte er sich in London der Polizei. Anschließend kam er gegen Kaution auf freien Fuß.
Am Dienstag soll es in London eine Anhörung zum weiteren Vorgehen geben. Assange lebt derzeit auf einem Anwesen in Südostengland. Er muss eine elektronische Fußfessel tragen und sich täglich bei der örtlichen Polizeistation melden. Zu den Auflagen der britischen Justiz sagte Assange: "Ehrlich gesagt wäre ich nicht gegen etwas mehr Sonne und mehr Freiheit. Ich reise gern, ich fühle mich also ein bisschen wie ein Vogel im Käfig."
Leser*innenkommentare
darjeeling
Gast
Diese zahlen spukten eine weile durch das netz und inzwischen scheint zweifelsfrei, dass hier nur "hypothetische, entgangene spenden" gemeint waren aber keineswegs kosten, die anfallen oder ein echtes minus durch den betrieb von WL.
die angekündigte transparenzinitiative von WL, noch ende 2010 zahlungen zu veröffentlichen, z.b. von gehältern, ist an mir zumindest vorbeigegangen.
Von der taz würde ich mir genauere recherche wünschen und vor allem eine korrektur dieses artikels und - wie von anderen schon geäußert, eine untersuchung der frage, was mit all den vorhandenen spenden eigentlich passiert, denn nach wie vor gehen gelder auf konten ein, die v.a. J.A. kontrolliert.
Es scheint auch nicht zu stimmen, dass er die buchzahlungen erst für abgesetzte bücher erhält, dies sind m.w. vorschüsse, die bei ersterscheinen des buches auch fließen. Absatzbedingt können dann bestenfalls weitere zahlungen erfolgen.
Dagegen ist ja nichts zu sagen, es ist sein leben, sein buch, sein einkommen, von irgendwas muss er ja seine ausgaben und anwaltskosten bezahlen. Er sollte das nur nicht von spenden für WL machen. Eine website wie www.dinnerforfreespeech.com ist in der hinsicht übel, weil sie so tut, als wäre sie für transparenz und wikileaks aber in wirklichkeit scheint es primär um spendenwerbung für seine eigenen anwaltskosten zu gehen, die er im zusammenhang mit dem verdacht auf vergewaltigung in Schweden hat. Was das mit WL zu tun haben soll, ist mir schleierhaft.
leser verwundert
Gast
" Assange lebt derzeit auf dem Anwesen eines in Südostengland."
sag mal, liebe taz, so schwer ist es doch heute nicht mehr, einen artikel auf dem bildschirm zu korrigieren?
(und ja, mich würde auch interessieren, wie wl wöchentlich derart viel kohle in den sand setzen kann - geht da mehr zum thema?)
Michael
Gast
Vielleicht sind es auch einfach entgangene Spenden, von denen er sprach?
Durch die Sperrung der Kreditkarten und des PayPal-Kontos hat Wikileaks in der Hochphase der Aufmerksamkeit sicherlich einiges an Spenden verloren. Wenn man überlegt, dass allein der twitter-Account von wikileaks heute noch mehr als 600.000 Follower hat, kann das schon in die Millionen gehen. Vielleicht spielt Wikileaks auch mit dem Gedanken, sich das Geld irgendwann über eine Schadensersatzklage wieder herein zu holen.
Die Originalquelle
http://www.24heures.ch/actu/monde/julian-assange-pressions-renforcent-ma-volonte-2011-01-10
ist ausserdem Französisch, das Interview wird in Englisch stattgefunden haben. Flüsterpost also...
Schon die TAZ-Übersetzung des französischen Textes ins Deutsche ist nicht exakt:
"Damit wir unsere Aktivitäten fortsetzen können, ..." klingt viel dringlicher als das französische "Pour continuer nos activités, il va falloir d’une manière ou d’une autre récupérer cet argent." (Um unsere Aktivitäten fortzusetzen / Zur Fortsetzung unserer Aktivitäten, müssen wir uns dieses Geld auf die eine oder andere Weise wieder zurück holen.")
Daniel
Gast
Bei wikipedia ist im Jahr 2010 die rede von 600.000 $ jährlich!
http://de.wikipedia.org/wiki/WikiLeaks
Don Julian
Gast
@Redbranch: Wie bitte, was? Recherche? Vom Computerarbeitsplatz aufstehen ohne Kaffee zu holen? Hallo? Gehts noch?
Assange will doch für jedes Interview entsprechend Kohle, weil er so arm ist. Das kann sich die taz nicht leisten.
@Curt Curtis: Nein, er beginnt damit nicht. Er hört nur einfach nicht damit auf.
Und "verlieren" bedeutet, dass er früher ein paar Millionen in der Woche mit spendenden Trotteln verdient hat und jetzt etwas weniger.
Larry
Gast
Aber er hat doch nur einen Mitarbeiter, der pro Tag eine Depesche veröffentlicht. Man kann also getrost davon ausgehen, dass die halbe Millionen täglich für Kaviar, Champagner und Edelprostituierte anfällt. Aber sicherlich sollte man Assange unterstützen und ihm bei Bedarf auch noch das letzte Hemd spenden. Wenn schon die taz dazu aufruft, dann..... Immerhin hat ER ja auch soviel für uns getan. Was jetzt eigentlich? Ach, ja, richtig: Genau garnichts. Assange ist wie Ackermann, ein Nichtsnutz, der den Hals nicht voll bekommt. Absolut unterstützenswert! Weitermachen!
Curt Curtis
Gast
JA hält dem psychischen druck nicht stand, menschlch verständlich, aber politisch ärgerlich.
25 Mio EUR pro jahr? Das entspricht nämlich den genannten 480.000 EUR pro woche. Wo nimmt er diese zahlen her? Und was heißt hier "verlieren"? Das wäre das zu erwartenden und durch die boykotts verlorene spendenaufkommen? Na, ich weiß nicht. Beginnt da einer den kontakt zu verlieren zur wirklichkeit?
Redbranch
Gast
Sehr interessante Meldung. Und möglicherweise ein guter Ansatzpunkt für die taz zu einer umfassenden Recherche unter folgenden Fragestellungen:
1. Entsprechen Assanges Angaben den Tatsachen?
2. Wenn ja, wieso verursacht der Betrieb von Wikileaks
derart hohe Kosten?
Kurt
Gast
Kein Wunder wenn man den Mitarbeitern 5500€ im Monat bezahlt...
Markus
Gast
Das verstehe ich nicht. Warum verliert Wikileaks diese Geld? Kosten die Server so viel, oder was ist die Ursache dafür?