Geplanter Schutz für JournalistInnen: Soll das die Lösung sein?

Eine Journalistin wurde kürzlich auf einer Legida-Demo angegriffen. Nun will der MDR MitarbeiterInnen nur noch mit Wachleuten losschicken.

Eine Person hält einen Zettel, der sich in einer Schutzhülle befindet. Auf ihm steht: „Lügenpresse halt die Fresse".

Beliebte Parole unter Pegidisten und Co Foto: dpa

Lutz Bachmann trug ein Schild mit der Aufschrift „Rapefugees not welcome“, als er von der Bühne vor dem Leipziger Naturkundemuseum kam. Die MDR-Journalistin Ine Dippmann wollte das festhalten, zückte ihr Handy, machte ein Foto, machte ein zweites – und zack schlug es ihr jemand aus der Hand. Doch das war’s noch nicht. „Der zweite Schlag hat mich dann ins Gesicht getroffen.“ So erzählt sie es tags darauf dem Tagesspiegel.

Legida feierte am Montag sein einjähriges Bestehen, Lutz Bachmann war quasi der Stargast. Mit ihm war die Pegida-Frontfrau Tatjana Festerling dort. Festerling hatte kurz vor dem Angriff auf Dippmann noch zum Griff zum landwirtschaftlichen Werkzeug geraten: „Wenn die Mehrheit der Bürger noch klar bei Verstand wäre, dann würden sie zu Mistgabeln greifen und diese volksverratenden, volksverhetzenden Eliten aus den Parlamenten, aus den Gerichten, aus den Kirchen und aus den Pressehäusern prügeln.“ Eine Anhängerin scheint dem Aufruf umgehend Folge geleistet und zugelangt zu haben.

Der Radiosender MDR Info will nun, dass ReporterInnen nicht mehr allein von derartigen Demonstrationen berichten: „Wir haben beschlossen, Reporterinnen und Reporter bei solchen Einsätzen künftig generell von Sicherheitspersonal begleiten zu lassen“, teilte Jana Hahn, Hörfunkchefin der Hauptredaktion Information, mit.

Kann das wirklich die Lösung sein? Auf der einen Seite müssen sich Arbeit- und Auftraggeber langsam Gedanken machen, wie sie ihre ReporterInnen vor Ort schützen können. Schließlich sind die Übergriffe auf JournalistInnen bei rechten Demonstrationen mittlerweile zur bizarren Normalität geworden.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat nun gar unter augenzeugen.info ein eigenes Blog zu dem Thema gestartet, wo Fälle gesammelt werden sollen. Außerdem hilft es, wenn es um die anschließende Aufklärung der Straftaten geht, nicht allein zu sein. „Am Montagabend hat mir ein Zeuge gefehlt“, sagt Dippmann im Tagesspiegel.

Pressefreiheit unter Personenschutz

Auf der anderen Seite steht die Frage, wie viel die im Grundgesetz verankerte Pressefreiheit noch wert ist, wenn sie nur unter Personenschutz zur Geltung kommen kann. Medien sind nicht mehr frei, wenn sie permanent beschützt werden müssen. Sie sind dann sogar ziemlich unfrei.

Klar, so etwas lässt sich leicht sagen, wenn man in der Redaktion am Schreibtisch sitzt und nicht ständig befürchten muss, die Fresse poliert zu bekommen. Doch auch für die KollegInnen vor Ort dürften sich mit Geleitschutz an ihrer Seite Probleme ergeben: Denn wer redet noch mit JournalistInnen, wenn neben ihnen die ganze Zeit ein Aufpasser steht? So etwas kann einschüchtern, animiert wohl kaum jemanden dazu, sich zu öffnen, und führt am Ende womöglich zu einer schlechteren, weil distanzierteren Berichterstattung.

Und am Ende wirft die Maßnahme des MDR die Frage auf, welche Grundrechte und Werte sich diese Gesellschaft noch wegnehmen lässt von denen, die am lautesten brüllen und am schnellsten zuschlagen.

„Gewalttätigkeiten waren nicht zu verzeichnen“

Zuständig dafür, dass auch die Grundrechte derjenigen geachtet werden, die nicht die Gewalttätigsten sind, ist übrigens der Staat. Die Ausführung dieser Aufgabe übernimmt die Polizei. Die zog noch in der Nacht von Montag auf Dienstag, rückblickend auf die Ereignisse in der Leipziger Innenstadt, folgendes Fazit: „Protest und Gegenprotest konnten ihre verfassungsrechtlich verbürgten Rechte auch in der Praxis leben und Gewalttätigkeiten waren dabei nicht zu verzeichnen.“

Der Angriff auf die MDR-Journalistin Dippmann findet sich nirgends. „Ich habe der Polizei deutlich gemacht, dass es mir wichtig ist, dass der Vorfall in den Bericht des Abends einfließt, um ein realistisches Bild zu zeichnen. Dass das nun nicht geschehen ist, enttäuscht mich“, sagt Dippmann.

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