Ex-Nationalspieler Friedrich in Indien: „Es wird mitunter vogelwild“

Ex-Nationalspieler Manuel Friedrich über sein Engagement in Indien, die Bedeutung des Monsunregens und die indische Liebe zur englischen Premier League.

„Anfangs hatte ich mein eigenes Handtuch dabei“: Manuel Friedrich beim Training seines Klubs Mumbai City FC Bild: dpa

taz: Herr Friedrich, Sie spielen für Mumbai City FC in der Indian Super League. Was sind Ihre Eindrücke?

Manuel Friedrich: Indien ist ein riesiges Abenteuer. Das fängt an beim Verkehr, der scheinbar gar keine Regeln hat. Dann das Wetter, die Luftfeuchtigkeit, die völlig andere Kultur. Es ist alles sehr aufregend und spannend.

Sie sprechen das Wetter an. Für einen Fußballer aus Europa sicherlich nicht unwichtig.

Ich muss extrem viel schwitzen. Wenn ich beim Training nur zuschaue, komme ich schon ins Schwitzen. Nach wenigen Minuten auf dem Platz hat man zwei Liter Schweiß in den Socken.

Wie sieht Ihr Trainingsalltag aus?

Wir trainieren auf Kunstrasen, dadurch ist die Belastung für die Knie, für die Gelenke und für den Rücken höher. Aber wenn wir beim Monsunregen auch nur einmal auf Naturrasen trainieren würden, könnte man den Rasen sofort wegschmeißen.

Ist die Vorbereitung in Indien mit der in Deutschland zu vergleichen?

Auf keinen Fall. Würde man unter diesen Umständen, vor allem bei dem Wetter, eine normale Vorbereitung durchziehen, hätte man nach spätestens drei Tagen etliche Ausfälle. Derzeit trainieren wir einmal am Tag auf dem Platz, zudem gibt es Einheiten im Kraftraum und im Pool.

Jahrgang 1979, ist zehnfacher deutscher Nationalspieler. In der Bundesliga spielte er u.a. für Mainz 05, Bayer Leverkusen und Borussia Dortmund. Im August 2014 wechselte er zum Mumbai City FC.

Wie fällt der Vergleich von indischem zu deutschem Fußball aus?

Das ist schwer einzuschätzen. Ich kann nicht sagen: Das ist auf dem Niveau der Zweiten oder der Dritten Liga. Bei dem Wetter kann man nicht das gleiche Tempo gehen oder dauernd Pressing spielen. Die meisten Partien verlieren nach 50 Minuten an Tempo. Dann wird es mitunter vogelwild. Plötzlich rennt einer los, ohne Sinn und Verstand. Er versucht den Ball zu erobern, ganz allein, rennt quer über den Platz. Aber das ist klar, der Sauerstoffgehalt im Kopf lässt nach.

Welches Verständnis haben die indischen Spieler von Fußball?

Ihnen fehlt die taktische Schulung. Angefangen beim taktischem Anlaufen, über Verlagern des Spiels, über Pressing und Gegenpressing, das Feld kompakt zu halten bis hin zum Warten auf den richtigen Moment zum Attackieren – das alles haben die Inder schlicht nie gelernt. Kräfte einteilen ist auch ein Problem. Viele geben 50 Minuten Vollgas, und die restliche Zeit retten sie sich dann ins Ziel.

Was hat sie dazu bewegt, ausgerechnet nach Indien zu wechseln?

Ich wollte das Abenteuer, sonst hätte ich auch nach Amerika oder Australien wechseln können. Außerdem ist hier alles neu: neue Liga, neue Mannschaften. Als ich in Indien angekommen bin, gab es den Verein gar nicht. Es gab kein Büro, keine Trikots, nicht einmal Trainingsleibchen. Zum Training sind wir in Privatklamotten gekommen und haben so gekickt. Ich hatte mein eigenes Handtuch dabei.

Wohingegen in Deutschland …?

… alles gemacht wird: Deine Wäsche wird gewaschen, Schuhe werden geputzt, alles wird dir hingelegt. Nach dem Training schmeißt du alles in den Wäschekorb, und am nächsten Tag ist es wieder sauber am Platz.

Und jetzt kommen Sie nach Indien und verhelfen den Fußball zum Durchbruch?

Ganz so wird es wohl nicht sein. Der Ansatz der Liga ist es, das in Jahren zu ändern. Das soll jetzt beginnen mit der Super League, mit ausländischen Stars und Liveübertragungen im indischen Fernsehen.

Wird Fußball den Kricket überholen?

Na ja, Fußball ist hier Sportart Nummer drei oder vier. Aber es ist nicht so, dass man in Indien Fußball nicht kennt. An manchen Ecken in den Parks sieht man auch Kinder Fußball spielen. Die Inder haben nicht nur Kricket im Kopf, sondern hier wird auch viel Fußball geschaut. Häufig wird die englische Premier League gesehen. Das müssen wir auf jeden Fall ändern.

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