Europolitik der FDP: Ein Gespenst namens Lindner

In Brüssel wächst vor der Bundestagswahl die Angst vor einer Regierungsbeteiligung der FDP. Lindner könnte die Eurozonen-Reform blockieren.

Christian Lindner gestikulierend

Wird dieser Mann Finanzminister? Foto: reuters

BERLIN/BRÜSSEL taz | Ein Gespenst geht um in Europa. Aber es ist nicht die Angst vor dem Kommunismus, die die Europäische Union umtreibt. Vielmehr fürchtet man sich in Brüssel vor einer künftigen Bundesregierung unter Beteiligung der FDP. Denn die Europolitik von Parteichef Christian Lindner dürfte nicht nur in EU-Kreisen, sondern auch in Paris auf Ablehnung stoßen – und überfällige Reformen verzögern oder ganz verhindern.

Im Fokus steht die Währungsunion. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron möchte einen Finanzminister für die Eurozone berufen, der über ein eigenes Budget verfügt und verschuldeten und schwachen Euroländern unter die Arme greifen kann. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat ähnliche Pläne, auch wenn er ein Eurobudget ablehnt. Selbst der für fiskalpolitische Härte bekannte Finanzminister Wolfgang Schäuble gibt sich gesprächsbereit.

Zumindest grob scheinen sich Frankreich, Deutschland und die EU-Kommission auf Nachbesserungen in der Euroarchitektur geeinigt zu haben. Doch es gibt ja noch die Bundestagswahl. Und in der neuen Bundesregierung könnte die FDP vertreten sein – und die deutsch-französischen Pläne durchkreuzen. Eine schwarz-gelbe Koaltion sei der „Albtraum“ für Macron, warnt Le Monde.

Parteichef Christian Lindner gilt als Gegner von Finanztransfers innerhalb der Eurozone. Er hat Macrons Vorschlag in seiner Rede zum FDP-Parteitag am Sonntag sogleich eine Absage erteilt. Wenn das Eurozonenbudget die Idee verfolge, „eine Geldpipeline von Deutschland zu legen, die automatisch und ohne Zweckbindung in andere Staaten Europas geht, dann ist ein solcher Finanzausgleich mit uns nicht zu machen“.

Unnachgiebig gegenüber Griechenland

Auch beim Thema Griechenland setzt die FDP auf Härte. Während Macron für Schuldenerleichterungen plädiert, sprach sich Lindner im Juni in einem Interview für das temporäre Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone aus. Am Sonntag sagte er, Finanzmarktstabilität werde am ehesten erreicht, „wenn Europa die Politik auf Pump verabschiedet“.

Ein Schuldenschnitt für Griechenland und eine Reform der Eurozone wären mit einer deutschen Regierung unter Beteiligung der SPD und der Grünen durchaus umsetzbar. Doch mit der FDP wären derartige Vorhaben schwer machbar. Ohne Berlin geht in Sachen Euro nichts – und deshalb würde man in Brüssel am liebsten auf Nummer sicher gehen.

G. Bischoff, Gewerkschafterin

„Im Vergleich zur FDP sieht Schäuble noch richtig flexibel aus.“

Am weitesten lehnt sich Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker aus dem Fenster. Schäuble sorge dafür, dass man in Europa in eine Richtung marschiere, sagte Juncker bei der Feier zum 75. Geburtstag des Finanzministers am Montag. Er könne sich niemand anderen in diesem Amt vorstellen, fügte er hinzu. Doch es gibt auch andere Meinungen.

Liberale wollen das Finanzministerium

Wenn es erneut zu einer Großen Koalition kommen sollte, müsse die SPD dafür sorgen, dass Schäuble abgelöst werde, heißt es bei den Sozialisten im Europaparlament. Doch selbst Gabriele Bischoff, die die Gewerkschaften im Wirtschafts- und Sozialkomitee der EU vertritt, würde Schäuble einem FDP-Mann vorziehen. „Im Vergleich zur FDP sieht Schäuble noch richtig flexibel aus“, sagt sie.

Doch FDP-Chef Lindner will es wissen. Am Montag bekräftigte er seinen Anspruch, bei einer Regierungsbeteiligung das Finanzministerium seiner Partei besetzen zu wollen – eine Schlüsselpositionen in Sachen Europolitik. Lindner könnte sich mit einem harten Kurs in Sachen Griechenland und Schuldenunion bei euroskeptischen Wählern profilieren und bei einer etwaigen Regierungsbeteiligung zu einem Wahlkampfthema nach dem Wahlkampf machen.

In der Europafraktion der Liberalen (ALDE) argumentiert man weniger radikal. Fraktionschef Guy Verhofstadt, ein belgischer Föderalist, hat sich wiederholt für eine stärkere Integration der Eurozone und gegen einen Rauswurf Griechenlands ausgesprochen. Auch der Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff versucht, die Sorgen zu entkräften. „Es gibt keinen Grund zur Beunruhigung, wir werden mit Macron reden“, sagt der FDP-Politiker, der sich um einen Sitz im neuen Bundestag bewirbt. Schließlich gehöre Macron der liberalen Parteienfamilie an.

Dennoch würde ein liberaler Wahlerfolg in Brüssel und Paris für erhebliche Verunsicherung sorgen. Schließlich hat sich Kanzlerin Merkel noch nicht festgelegt, wie es nach ihrer Wiederwahl mit der EU und dem Euro weitergehen soll. Wochenlange Koalitionsverhandlungen und europapolitische Kompromisse wären das Letzte, was man in der EU gebrauchen kann.

Denn Juncker & Co. läuft die Zeit davon. Spätestens im Sommer 2018 sollen alle Reformen auf den Weg gebracht werden – danach dürfte sich alles nur noch um den Brexit drehen. Und im Frühsommer 2019 geht Junckers Amtszeit zu Ende. Seine „Kommission der letzten Chance“ will Taten sehen – und nicht auf eine widerwillige FDP warten.

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