Ein Jahr ohne Atomstrom: Und Deutschland gibt es immer noch

Die düsteren Prognosen für Deutschland nach Abschalten der letzten AKWs haben sich nicht bewahrheitet. Das Thema kann endgültig ad acta gelegt werden.

Kühlturm eines abgeschalteten Atomkraftwerkes.

Der Kühlturm des abgeschalteten AKW Isar 2 in Essenbach am 26. August 2023 Foto: Wolfgang Maria Weber/imago

Es ist an der Zeit, in der Atomdebatte verbal abzurüsten. Genau ein Jahr ist es nun her, dass in Deutschland die letzten drei Reaktoren vom Netz gingen. Und was ist passiert? Das Ereignis ging recht geräuschlos über die Bühne. Nehmen wir die Kohle. Allen Unkenrufen zum Trotz lag die Kohleverstromung in Deutschland im ersten Jahr ohne AKW um ein Viertel niedriger als im Jahr davor. Entsprechend sanken trotz des Atomausstiegs die CO2-Emissionen pro Kilowattstunde im deutschen Strommix.

Das hatten Kritiker anders prophezeit. Die Gründe für die Bilanz sind vielfältig. Rein summarisch wurden die weggefallenen Kilowattstunden komplett durch den Zubau an Erneuerbaren kompensiert. Aber auch ein leicht reduzierter Stromverbrauch aufgrund der wirtschaftlichen Lage in der Industrie und ein extrem milder Winter drückten den Bedarf an Kohle. Die Stabilität der Stromversorgung war – auch das hatten Kritiker infrage gestellt – weiterhin gegeben.

Aber die Stabilität hängt ohnehin mehr am Zustand der Netze und an den Organisationsstrukturen der Branche (der IT-Sicherheit etwa) als an der Frage, ob es drei Kraftwerke mehr oder weniger gibt. Verändert hat sich durch den Atomausstieg vor allem eines: die Importbilanz des Stroms. Die reagiert nämlich sensibel auf minimale Änderungen im nationalen Preisgefüge an der Strombörse. Deutschland, seit 20 Jahren per saldo Stromexporteur, wurde mit dem Ende der letzten drei Meiler zum Importeur.

Nun kann man diskutieren, ob eine solche Momentaufnahme der große störende Begleiteffekt des Ausstiegs ist – nur wozu? Es ändert nichts mehr. Zumindest was die Leichtwasserreaktoren des 20. Jahrhunderts betrifft, ist die Atomkraft hierzulande Geschichte. Wenn jemand zur persönlichen Profilierung eine Rückabwicklung des Ausstiegs fordert, ist das ein Scheingefecht.

Auf Entscheidungsspielräume konzentrieren

Zielführender wäre stattdessen, wenn sich politische Akteure auf jene Punkte der Energiewende konzentrieren würden, bei denen es tatsächlich Entscheidungsspielräume gibt. Denn Gründe für Kritik an der Energiepolitik gibt es wahrlich genug. Die planwirtschaftliche Herangehensweise an den Kohleausstieg ist so ein Punkt; hier wäre es eleganter, das Ganze per CO2-Preis zu regeln.

Auch drohen Marktverwerfungen durch den unkoordinierten Ausbau der Photovoltaik und der Windkraft. Weitere Anlagen werden nämlich vor allem dann Strom liefern, wenn ohnehin schon genug davon da ist. Trotzdem soll mit immer mehr Steuergeld immer mehr Strom erzeugt werden, der im Moment der Erzeugung angesichts fehlender Speicher wertlos ist. Das wäre mal ein vordringliches Thema für die Debatte – die Atomkraft ist es aktuell nicht mehr.

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