Datensammeln beim Versicherer: Orwell joggt mit

Bei Generali können Versicherte jetzt mit Joggen und gesunden Lebensmitteln Rabatte einfahren. Das ist nicht nur Gift für den Datenschutz.

Eine Frau posiert vor Obst und Müsli

Im Grünen Trainieren oder auf dem Laufband joggen – Hauptsache die Daten stimmen Foto: dpa

Ihr müsst ja nicht mitmachen. Wer nicht am Datenstriptease teilnehmen will, hat nichts zu befürchten. So wiederholt es der Privatversicherer Generali wieder und wieder. Und klingt wie der Wolf, den das Rotkäppchen nach seinen großen Ohren, Händen und Zähnen befragt. Zuerst erklärt der im Großmutterkostüm versteckte Wolf, alles habe seine Ordnung: Er wolle die Enkelin nur besser hören und sehen – und schon, happs, hat er das gutgläubige Rotkäppchen verschlungen.

Jedem steht frei, den „Vitality-Tarif“ von Generali zu buchen – und damit dem Versicherungskonzern freiwillig hochsensible persönliche Daten preiszugeben. Genauso frei steht es jedem, in der „Smart-Insurance-Offensive“ eine richtig böse Wolfsfinte zu sehen. Denn die Daten sind dann, happs, wirklich weg. Dass ein Konzern Hochprivates wie Gewicht, Blutdruck, Fitness- und sogar Kaufverhalten digital verquicken kann, ist schon Orwell pur. Da muss noch niemand Schindluder mit den Daten getrieben haben. Wird schon nichts schiefgehen – oder?

Das neue Modell wirft weitere grundsätzliche Fragen auf. Wird es zum Trend, gerät das Solidaritätsprinzip von Versicherungen in Gefahr. Was droht wohl Alten und chronisch Kranken? Jetzt schon haben Versicherte, die einmal durch Krankheiten aufgefallen sind, es schwer, beispielsweise ihre Berufsunfähigkeit zu versichern.

Wer immer noch denkt, er habe ja nichts zu verbergen, sollte vor allem eines: Noch mal nachrechnen. Bringt der Gutschein fürs Fitnessstudio was? Oder ist nicht der Tarif wegen des App- und Tracking-Tamtams derart überteuert, dass es dieselbe Leistung woanders viel günstiger gäbe?

Ein Vergleich der neuen Telematik-Tarife von Kfz-Versicherungen, die das Fahrverhalten von Kunden abscannen, zeigt: Während die Versicherer Schnäppchen versprechen, können wirkliche Preisfüchse allein durch einen normalen Versichererwechsel richtig Kasse machen. Immerhin: Auch bei Rotkäppchen wird ja am Schluss alles gut.

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Ist Leiter des Ressorts Wirtschaft und Umwelt. Er hat in Bonn und Berlin Wirtschaftsgeschichte, Spanisch und Politik studiert. Ausbildung bei der Burda Journalistenschule. Von 2001 bis 2009 Redakteur in Bremen und Niedersachsen-Korrespondent der taz. Dann Financial Times Deutschland, unter anderem als Redakteur der Seite 1. Seit 2012 wieder bei der taz.

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