Blogger und Leistungsschutzrecht: Der Mensch wird nicht Maschine

Viele Blogger fürchten, dass ihnen das neue Leistungsschutzrecht schaden wird. Dabei betrifft sie das Gesetz doch gar nicht.

Auch der anonyme Auftritt gehört zur Netzfreiheit. Bild: dpa

BERLIN taz | Was blüht Bloggern, wenn das am Freitag beschlossene Leistungsschutzrecht nicht gestoppt wird und am Ende des Jahres in Kraft tritt? „Ein Grauen für alle, die ins Netz schreiben“, befürchtet der Rechtsanwalt Udo Vetter, dessen Lawblog zu den in Deutschland am meisten verlinkten Blogs zählt. Vetter, der für die Piraten bei der kommenden Bundestagswahl antreten wird, schreibt weiter: Dann werde die „Abmahnmeute“ auf Menschen gehetzt, „die im Netz ihre Meinung sagen“.

Diese Position ist sicher etwas extrem. Denn Vetter glaubt, das Leistungsschutzrecht habe geradezu das Ziel, dass Blogger sich „abmahngefährdet“ fühlen und „viele lieber gar nichts mehr schreiben“. Viele Netzaktivisten teilen die Vermutung, dass bald eine gewaltige Abmahnwelle über deutsche Blogger hinwegrollen wird.

Diese Befürchtungen sind haltlos. Denn Blogger sind von dem neuen Gesetz gar nicht betroffen. Ihre wichtigsten Werkzeuge – Links und Zitate – werden vom Leistungsschutzrecht schon gar nicht eingeschränkt, und ansonsten gilt das Gesetz für Blogger überhaupt nicht.

Auch in Zukunft kann jeder auf jeden beliebigen anderen Text verlinken. Verlage wie heise.de, die nun ausdrücklich die Verlinkung ihrer Texte erlauben, sorgen da mit solchen Ankündigungen nur unnötig für Verwirrung. Selbst Suchmaschinen dürfen verlinken, so viel sie wollen.

Zitieren ist unverändert möglich

Auch das Zitieren fremder Texte ist unverändert möglich. Wer sich mit einem anderen Text positiv oder kritisch auseinandersetzt, darf die entscheidenden Stellen wörtlich wiedergeben. Auch hier ist keine Genehmigung erforderlich. Die Länge des Zitats muss allerdings im Verhältnis zu seinem Zweck angemessen sein. Da Suchmaschinen sich nicht gedanklich mit den verlinkten Texten beschäftigen, können sie sich aber nicht auf das Zitatrecht berufen.

Das Leistungsschutzrecht wird erst relevant, wenn ein Link durch Angabe des Kontextes erläutert wird. Die üblichen Textausschnitte – Snippets genannt – mit einer Länge von 15 bis 30 Wörtern dürfen deshalb künftig nur noch mit Genehmigung des Verlags verwendet werden. Eine Ausnahme gibt es nur für „einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte“, zum Beispiel Schlagzeilen mit drei Wörtern wie „Bayern schlägt Schalke“.

Die genaue Grenze ist zwar unklar, aber die derzeitigen Snippets von Google sind künftig lizenzpflichtig, wenn sie von Verlagen stammen. Hier macht die Ankündigung von heise.de Sinn, dass von seinen Texten auch künftig Snippets verwendet werden dürfen.

Für Blogger hat das aber keine Relevanz. Denn der Leistungsschutzparagraf gilt nur für Suchmaschinen und „Dienste, die Inhalte entsprechend aufarbeiten“. Mit Letzterem sind zum Beispiel News-Aggregatoren gemeint, die häufig genutzte Nachrichten maschinell zusammenstellen.

Mit Snippets illustireren

Im Umkehrschluss heißt das: Blogger, Vereine, Unternehmen und alle sonstigen Nutzer können ihre Links weiterhin mit Snippets illustrieren. Sie brauchen dafür keine Genehmigung. Das gilt auch, wenn sie kommerzielle Zwecke verfolgen. Denn auch ein kommerzieller Blogger bleibt ein Blogger und wird keine Suchmaschine.

Als Grenze des Zulässigen gilt wie bisher, dass in einen Blog nicht ganze Texte ohne Genehmigung kopiert werden können. Das würde gegen das vom Journalisten an den Verlag abgetretene Urheberrecht verstoßen. Diese Grenze hat aber mit dem Leistungsschutzrecht nichts zu tun und ist nichts Neues.

Dass Verlage bald Abmahnanwälte losschicken, um von Bloggern – illegal – Lizenzen zu verlangen, erscheint nicht realistisch. Das ganze Netz würde über sie herfallen, und die Anwaltskosten der zu Unrecht Abgemahnten müssten sie natürlich auch bezahlen.

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