Alternative Schlafplätze: Betten für Deutschland gesucht

Hannovers „Congress Hotel“ weigert sich, Delegierte des AfD-Parteitags zu beherbergen – trotz Drohungen und Schmähungen durch Anhänger der Partei.

Mit Notunterkünften hat Hannover in jüngster Zeit viele Erfahrungen gesammelt Foto: Julian Stratenschulte (dpa)

Nach den Zimmerstornierungen kam der Shitstorm: MitarbeiterInnen des „Congress Hotels“ in Hannover sehen sich wegen ihrer Weigerung, am kommenden Wochenende Bundesparteitagsdelegierte der selbst ernannten „Alternative für Deutschland“ (AfD) zu beherbergen, mit einer Flut von Drohungen und Beleidigungen konfrontiert. „Wir bekommen Anrufe und Mails übelsten Inhalts“, sagt Hotelsprecherin Karo Eggert“ zur taz.

Auch in sozialen Netzwerken wie Facebook empören sich Anhänger der Partei, Hotelgeschäftsführer Cord Kelle ziehe angesichts eines „linksextremen Mobs“ den „Schwanz ein“ und pfeife „auf die Bürgerechte“. Manche versteigen sich zu Vergleichen mit der Judenverfolgung durch die Nationalsozialisten, andere rufen zum Boykott des Hotels auf. Auch die AfD-Parteiführung lässt verlauten, die von Kreisverbänden vermittelten Zimmer seien „aus politischen Gründen“ storniert worden.

Tatsächlich aber macht Hoteldirektor Kelle Sicherheitsbedenken geltend. Zum Anti-AfD-Protest vor dem angrenzenden Kongresszentrum HCC würden am Samstag rund 5.000 Demonstranten erwartet, erklärt er zur Begründung: „Konfrontationen“ könnten damit „nicht ausgeschlossen werden“ – und die möchte Kelle gern von seinem „Hotel fernhalten“. Allerdings gehe es dabei „ausdrücklich um den Schutz aller beteiligten Personen, nicht aber um eine politische Aussage.“

Tatsächlich beweist nichts besser als der Tagungsort, dass die AfD eben nicht politisch diskriminiert wird: Das HCC ist ein Eigenbetrieb der Landeshauptstadt. „Für uns gilt das Parteiengesetz“, so HCC-Direktor Joachim König. „Die AfD ist nicht verboten. Als öffentliche Einrichtung sind wir damit zur Vermietung verpflichtet“, sagt König, der sich zuvor jahrelang mit ähnlichen Anfragen der rechtsextremen NPD auseinandersetzen musste: 2007 verlor er in drei Instanzen und musste die städtische Halle den Neonazis zur Verfügung stellen.

In Hannover mobilisiert das Bündnis „Bunt statt Braun“ seit Tagen gegen den anstehenden AfD-Bundesparteitag. Die für Samstag geplante Gegendemonstration, zu der mindestens 5.000 TeilnehmerInnen erwartet werden, richte sich „gegen rassistische Hetze, die Ängste auf dem Rücken notleidender Menschen“ schüre, heißt es in einem Aufruf des Bündnisses.

Beginnen werden die Proteste um 12 Uhr auf dem Opernplatz, nur wenige hundert Meter vom Hauptbahnhof entfernt.

Ab 13 Uhr wollen die DemonstrantInnen dann in Richtung des Kongresszentrums HCC ziehen, wo die rechtspopulistische Partei AfD das Wochenende über tagt.

Eine Stunde später, um 14 Uhr, beginnt dann eine Kundgebung in Sichtweite des AfD-Bundesparteitags.

Allerdings: In den Folgejahren konnte der HCC-Direktor gerichtsfest nachweisen, dass das Kongresszentrum schon durch andere Veranstaltungen belegt war. Auch das hessische Kassel, wo der AfD-Bundesparteitag ursprünglich stattfinden sollte, ist ähnlich vorgegangen: Das städtische „Kongress Palais“ werde für ein bereits lange geplantes Dankeschön-Fest für ehrenamtliche Helfer benötigt, argumentierte die Stadtverwaltung dort. In Hannover betont Stadtsprecher Andreas Möser dagegen, dass die Landeshauptstadt das Parteienprivileg auch im Fall der AfD respektiere. Damit sei klar, dass das öffentliche HCC als Veranstaltungsort infrage komme. Allerdings sei es das gute Recht des privaten Hotelbetreibers, seine Verträge mit den Rechtspopulisten zu kündigen. „Beleidigungen oder gar Bedrohungen“ als Reaktion darauf seien „in keiner Weise hinnehmbar“.

An der für das Wochenende angekündigten Gegendemonstration, zu der ein breites Bündnis aus Gewerkschaften, Kirchen und politischen Jugendorganisationen aufruft (siehe Kasten), wird auch Hannovers SPD-Oberbürgermeister Stefan Schostok teilnehmen. Das Stadtoberhaupt will dabei deutlich machen, „dass Hannover Flüchtlinge willkommen heißt“, sagt sein Sprecher Möser. Gerade viele Bürgerinitiativen zeigten das Engagement der Hannoveraner für mehr Menschlichkeit.

Die AfD wird bei ihrem Treffen dagegen erneut Stimmung gegen Flüchtlinge machen. Zwar weist Niedersachsens AfD-Chef Armin-Paul Hampel Vorwürfe des Rechtspopulismus zurück – er hält seine Truppe für eine „Partei der Mitte“, fordert aber die Zurückweisung von Schutzsuchenden schon an den EU-Außengrenzen.

Marcus Pretzell, AfD-Landeschef im einwohnerstarken Nordrhein-Westfalen, hatte noch Anfang November mit Forderungen nach einem Waffeneinsatz gegen Flüchtlinge an Deutschlands Grenzen gesorgt. Für Pretzell, den neuen Lebensgefährten der AfD-Bundesvorsitzenden Frauke Petry, sei dies die „Ultima Ratio“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.