PARTEI wählen ist das Letzte: Elitär, bourgeois und amoralisch

Sie machen auf aufgeklärt, sind zynisch und wählen die PARTEI. Sie denken, das sei Protest. Mit diesen Schnupsis ist kein Staat zu machen.

Eine Armbinde mit der Aufschrift Partei

„Was hast du getan, als 2017 die AfD ins Parlament kam?“ Foto: imago/Florian Schuh

Klar, kann ich einen Luftballon aufblasen und dann sagen, ich hätte die Welt verändert. Ich kann auch die PARTEI wählen und mir einreden, damit etwas Kluges zu tun. Das kann ich alles machen. Ich bin dann eben: ein dekadenter Witzbold, der sich selbst dafür feiert, keinen Unterschied machen zu wollen.

Es ist gespenstisch: Als gäbe es nichts zu bereden, scheint die PARTEI derzeit im – nennen wir es abschätzig – „linksalternativen Milieu“ immer neue Freunde zu finden. Die Straßen sind gepflastert mit Wahlwerbung von Komödianten, und selbst in der taz erklärt am 12. September ein anonymer Redakteur, warum er in diesem Jahr die PARTEI wählen will. Überschrift: „Ganz im Ernst“.

Es ist auch ernst zu nehmen, denn die ernsthafte Zugewandtheit zur PARTEI steht für die Verlorenheit einer gesellschaftlichen Linken, die sich aufs Resignieren versteht und die eine fehlende Machtperspektive damit verwechselt, irrelevant zu sein.

In dieser Welt ist nur gut, wer genau für mich spricht.

In dieser Welt ist nur gut, wer tut, was ich mag.

In dieser Welt ist nur gut, wer mich lesen kann.

Joviale Pose der Besserwisser

Das ist eine zu verachtende Haltung. Sie ist snobistisch und dekadent und zu bekämpfen. Es ist die Welt unsympathischer Leute, die an einer Käsetheke so lange nach dem Lactosegehalt eines Schnittkäses fragen, bis der Kassiererin gekündigt wird. Es ist die Welt der Verdrossenen. Aber das Parlament ist keine Käsetheke. Man darf da mitmachen; und wenn man schon nicht mitmacht, dann sollte man einer Partei eine Stimme geben, die für irgendetwas steht.

Neonazis kommen ins Parlament, und linken Spaßböldchen fällt nichts Besseres ein, als eine Spaß­partei zu wählen?

Zum Beispiel einer der großen Parteien, die Kompromisse macht, weil das Politik ist; oder einer der kleinen Parteien, die niemals Kompromisse machen würden, aber für etwas kämpfen. In all diesen Parteien arbeiten Menschen, die mehr Anerkennung verdienen als die joviale Pose der Besserwisser, deren einzige Erfüllung es ist, sich über andere zu erheben.

In ihrem Kern verachtenswerter als die AfD

Diese Pose elitärer Politikverdrossenheit ist gerade deshalb so bourgeois, weil sie sich nicht dafür in Anspruch nehmen lässt, relevant zu sein. Sie ist weder links noch rechts, noch unten, weil es ihr um nichts geht. Sie ist oben. In ihrem moralischen Gestus ist sie letztlich amoralisch. Und das Interessante an ihr ist: Je mächtiger sie wird, desto antiaufklärerischer ist sie. Und damit ist sie in ihrem Kern verachtenswerter als diejenigen in der Politik, die – sei es bei der FDP oder der AfD – für etwas kämpfen.

Die FDP ist die Partei, deren Entwicklungsminister mit Militärmütze rumlief und heute mit dem Rüstungskonzern Rheinmetall eine Panzer­fa­brik in der Türkei baut. Die AfD ist die Partei, deren Unterstützer neulich noch von niemandem Gehör fanden und sich nun anschickt, Rechtsextremisten ins Parlament zu entsenden, auf dass diese gegen Frauen und Fremde hetzen und die freie Presse bedrohen. Das gilt es zu bekämpfen.

Alles ist ehrenwerter

Die PARTEI bindet also Menschen, die eigentlich etwas Wichtiges tun sollten. Es mangelt ihr nicht an den Kapazitäten, überall im Land Plakate aufzuhängen und Zeit zu investieren für intellektuelle Psychowitze und Politklamauk. Und so macht sich also eine Riege von Männern eine Freude daraus, in einer Zeit für sich zur Wahl rufen, in der täglich Flüchtlingsheime und Flüchtlinge attackiert werden. Während der rechte Flügel sich im Parlament, inklusive völkischer Neonazis, organisiert und die Identitäre Bewegung mehr und mehr Zulauf erhält, fällt vielen vermeintlich linksintellektuellen Spaßböldchen nichts Besseres ein, als eine Spaßpartei zu wählen oder so zu tun, als ob.

Damit sie niemand für eine Spaßpartei hält, nennt sie sich Satirepartei. Gekauft! Sich noch selbst dafür zu feiern, es sich möglichst leicht zu machen, das ist Dekadenz der höchsten Stufe. Denn im Kern steht hinter der jovialen Widerständigkeitspose ja eine Verachtung für diejenigen AktivistInnen und Parlamentarier, die tatsächlich etwas verändern wollen.

Das sind zum Beispiel die, die ohne irgendeine Aussicht auf Erfolg für ihre Partei einen der hinteren Listenplätze belegen; das sind auch all jene politischen Streiter, die für welche Position auch immer in einer Kleinstpartei um etwas kämpfen. Das ist alles ehrenwerter, als sich für die PARTEI einzusetzen.

Wo Politik wirkmächtig wird, muss sie sich befragen lassen

Die Ironie, wo sie zum Programm wird und in Zynismus endet, kämpft für nichts; sie bekämpft alles. Es ist eine Pose, die mit sich zufrieden ist und alles andere belächelt. Als elitäres Humorprojekt ist das feines Gulasch. Als Politprojekt ist das Mumpitz. Mit solchen Schnupsis ist kein Staat zu machen. Diese Schurken sind selbstverliebte Gesellen.

Ja, darf man in der Politik nicht lachen? Nun, es ist ja nicht so, als ob ich nicht Freude hätte an den Späßen des Außerparlamentarischen. Damals, als es noch Kleinscheiß war, war das doch alles ganz lustig. Die PARTEI zog über die Lande und brachte Farbe und Witz in die politische Landschaft.

Die Ausgeprägtheit und Vielfalt von Satire, so weit stimmt das ja, spricht in der Regel für und selten gegen den Zustand in einer Gesellschaft. Das ist gute Unterhaltung, und es ist, natürlich, auch Politik. Wo Politik wirkmächtig wird, muss sie sich befragen lassen.

Mit der PARTEI, in der inzwischen die halbe deutsche Comedy-Industrie (Somuncu, der Psychotyp mit der Kapuzenmütze, der Fliegenerklärer Benecke etc. – übrigens, klar, alles Männer) in Kandidatenämter antreten, verhält es sich so auch. Sie ist zu einem überproduzierten Produkt jener Kulturproduktion geworden, die sich widerständig gibt und letztlich kein Hauch davon ist. Damit gehört sie zu den Vereinfachern.

„Was hast du getan, als die AfD ins Parlament kam?“

Es ist richtig, gut und schön sie zu verachten. Und deshalb werde ich nun „Jochen Rödder“ suchen gehen, jenen anonymen Autor, der sich vor zwei Tagen in der taz feige zur PARTEI bekannte. Ich fordere ihn zum Duell. In seinem Text steht, ganz am Ende, sinngemäß: Irgendwann dann in ein paar Jahren, wenn (also, er meint: falls!) vorher noch dies und das und jenes geschieht, „kann man auch wieder etwas Richtiges wählen“.

Nein, lieber Kollege. Nicht irgendwann. Man kann einfach jetzt etwas Richtiges wählen, auch wenn es sich falsch anfühlt. Das ist sinnvoller, als sich einen Spaß daraus zu machen oder nur frustriert darüber zu sein, dass die Demokratie im Arsch ist und die Rechten im Anmarsch sind. Es geht um deine Wahl, „Jochen Rödder“, der du deinen Namen nicht nennen magst, und um deine Verantwortung, und dann, irgendwann, also falls, werde ich dich einmal fragen: „Was hast du getan, als 2017 die AfD ins Parlament kam?“ Und du wirst mir antworten müssen: „Ich habe eine Spaßpartei gewählt.“

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