Comic- und Grafikfest in Leipzig: Von Fans für Fans

Parallel zur Buchmesse trafen sich Zeichner im „Millionaires Club“. Sie redeten über ihre Mütter, ihr Sexualleben und die Arbeit.

Eine als Spiderman verkleidete Person hockt in Hab-Acht-Stellung auf der Leipziger Buchmesse

Am Rande der Leipziger Buchmesse tummeln sich jedes Jahr auch Comic-Fans Foto: ap

LEIPZIG taz | Drei goldene Luftballons in Buchstabenform schweben über der Leipziger Kolonnadenstraße: TMC. Abkürzung für „The Millionaires Club“, dem Comic- und Grafikfest, das parallel zur Buchmesse stattfindet. Der Name ist natürlich völlig irreführend. Richtig reich scheint hier niemand zu sein, das Ganze lebt vom abgerockten Charme der Galerien und kurzzeitig umfunktionierten Läden, in denen Zeichner, Illustratoren oder Buchdrucker ihre Werke ausstellen.

„Es ist schon etwas professioneller geworden in den letzten fünf Jahren“, sagt Anna Haifisch. Die Comiczeichnerin ist eine von acht Organisatoren. Sie haben fast alle zusammen an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst, HGB, studiert und einzelne Veranstaltungen organisiert, bevor sie 2013 den Millionaires Club auf die Beine stellten, der seitdem immer parallel zur Buchmesse stattfindet.

„Wir wären ja doof, wenn wir das nicht zu dem Zeitpunkt machen würden, an dem eh viele Leute in der Stadt sind“, sagt Haifisch und sieht das Comicfest nicht als Konkurrenz, sondern eher als Ergänzung zur Buchmesse, die voll und anstrengend und weit draußen ist. Der Millionaires Club dagegen findet in Innenstadtnähe statt.

Auf einer kleinen ruhigen Straße stehen viele hippe Menschen, rauchen Zigaretten, trinken Kaffee und Bier, zwischendrin blättern sie in Comics und Zines oder betrachten Poster. 3.000 Besucher kamen im letzten Jahr. Diesmal gibt es weniger Aussteller, weil es nicht genug Platz für Tische gab. Etwas 20 sind gekommen, von einzelnen Künstlerinnen wie Stefanie Leinhos über Illustrationsklassen von Kunsthochschulen bis hin zu Verlagen wie Reprodukt, der hier schon als der mainstreamigste gilt.

Der ständige Vergleich mit der Mutter

In einem Hinterraum liest Burcu Türker aus ihrem Comic „Süsse Zitronen“ und wirft die passenden Bilder an die Wand, vor der die Zuschauer auf Bierbänken sitzen. Das Buch war ihre Abschlussarbeit an der Kunsthochschule in Kassel und wurde direkt im Jaja-Verlag veröffentlicht. Türker erzählt darin die Geschichte ihrer verstorbenen Mutter, die in Istanbul Schauspielerin war und mit deren Kreativität sich die Studentin, die das Gefühl hat, nichts auf die Reihe zu kriegen, ständig vergleicht.

„Ich habe versucht, über andere Themen ein Comic zu machen“, sagt Türker, „über Hexenverfolgung zum Beispiel.“ Doch am Ende war es die Geschichte ihrer Mutter, zu der sie immer zurückkam. „Hexenverfolgung wird jetzt nur in einem Satz erwähnt.“ Dass sie zum Millionaires Club eingeladen wurde, hat sie sehr gefreut. Sie selbst ist Fan von Anna Haifisch, die wiederum Türkers Buch toll findet.

Anna Haifisch

„Ja, wir laden die Leute ein, die uns gefallen“

Eine Veranstaltung von Fans für Fans. „Ja, wir laden die Leute ein, die uns gefallen“, erklärt Haifisch die Auswahlkriterien. Sehr gefallen hat ihr dieses Jahr Gina Wynbrandt, die mit ihrer Comicsammlung „Someone Please Have Sex With Me“ aus Chicago angereist ist – die sie gerne mit „Let me know if you want to have sex with me“ signiert. Darin träumt ihre Protagonistin, die große Ähnlichkeit mit der Zeichnerin selbst hat, von ihrer großen Liebe Justin Bieber, mit dem sie gerne Motorrad fährt.

Auch aus China sind Künstler extra für das Festival gekommen, etwa der Zeichner Yan Cong und die Inhaber eines kleinen Comicladens in Beijing. Sie alle sind hier, um ihre Geschichten zu erzählen, sich auszutauschen und die Leute kennenzulernen, die hinter den Zeichnungen stecken.

Ob das Festival im nächsten Jahr wieder stattfinden wird, weiß keiner. „Danach sind wie immer total fertig und sagen: nie wieder!“, gibt Haifisch zu. Aber spätestens im Herbst überlegen sie schon fieberhaft, wen sie alles einladen können. Und wer wäre nicht gerne Mitglied im Millionaires Club? Allein der goldenen Luftballons wegen.

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