Joblose Jugendliche unter Druck gesetzt: „Treibt Kids in die Kriminalität“

Hamburgs Jobcenter kürzen Geld, wenn Minderjährige Termine zur Berufsberatung verschwitzen. Die Linke kritisiert „pädagogisches Fehlverhalten“.

Fenster mit Papier zugeklebt, darauf in großer Schrift: „Hauptsache Arbeit“

Schon 15-Jährige müssen sich vor den Berufsagenturen rechtfertigen Foto: dpa

HAMBURG taz | Die Jugendberufsagenturen kürzen immer mehr HamburgerInnen unter 25 Jahren die Sozialleistungen – als Sanktion. Selbst von Minderjährigen werden Hartz IV-Leistungen einbehalten, wenn sie einen Termin in den Team-Arbeit-Jugendberufsagenturen verpassen. Das hat eine Kleine Anfrage der Linkspartei in der Bürgerschaft ergeben.

Laut Antwort des rot-grünen Senats bestraften die Jobcenter im vergangenen Jahr durchschnittlich 3.574 unter 25-Jährige durch Leistungskürzungen im Umfang von mindestens einen Monat. „In den ersten zwei Monaten des laufenden Jahres stieg die Anzahl auf durchschnittlich 4.162 an“, bilanziert die Bürgerschaftsabgeordnete Inge Hannemann (Die Linke). Pro Monat seien im vergangenen Jahr durchschnittlich sogar zwölf Minderjährige von Sanktionen betroffen gewesen.

Denn wenn die Eltern auf Arbeitslosengeld II angewiesen sind, fallen auch deren Kinder ab 15 Jahren unter das Sozialgesetzbuch (SGB II) – selbst wenn sie noch zur Schule gehen. „Bereits ab dem 15. Lebensjahr gelten Minderjährige als erwerbsfähig und unterliegen damit dem Hartz IV-Regime“, kritisiert die als Hartz IV-Rebellin bekannt gewordene ehemalige Berufsberaterin Hannemann.

Auch der Senat sieht „Minderjährige ab der Vollendung des fünfzehnten Lebensjahres“ als „meldepflichtig“. So steht es in der Senatsantwort. Minderjährige im Schul-Abschlussjahr und Minderjährige, die nach mehrfacher Aufforderung keine Schulbescheinigung vorzeigten, würden vom Team-Arbeit vorgeladen. Legten der Heranwachsende oder dessen Eltern dann immer noch keine Schulbescheinigung vor, sei davon auszugehen, dass er nicht mehr zur Schule gehe.

„Der Senat hält selbst die komplette Streichung von Sozialleistungen für unproblematisch“, kritisiert Hannemann. Das belege die Ignoranz der Regierenden und ihr „pädagogisches Fehlverhalten gegenüber Heranwachsenden“.

Üblicherweise würden zunächst zehn Prozent der Leistungen gestrichen, sagt Hannemann. In einigen Fällen würde das Team-Arbeit, aber schon beim ersten Verstoß ein ganzes Monatsgeld streichen. Das sei für die Jugendlichen und ihre Familien existenzbedrohend.

„Der Senat lässt völlig außer Acht, dass in diesen Fällen immer die ganze Familie betroffen ist“, sagt die Linken-Politikerin. Die Familien müssten die ausfallenden Zahlungen kompensieren. Lebten junge Menschen beispielsweise in einer Jugendhilfewohnung, seien sie durch die Sanktion sogar von Obdachlosigkeit bedroht. „Das treibt sie in die Kriminalität, wenn sie für ihren Lebensunterhalt durch schnorren oder dealen aufkommen müssen“, sagt Hannemann.

Die Sanktionen der Berufsagenturen sind für Jugendliche existenzbedrohend

Team-Arbeit-Sprecherin Kirsten Maaß hält solche Szenarien für übertrieben. „Das ist alles gesetzlich geregelt“, sagte Maaß der taz. „In der alltäglichen Praxis spielt das gar nicht so eine Rolle wie in der gesellschaftlichen Diskussion.“ Meist könnten Sanktionen „mit einem Telefonanruf aus der Welt geschaffen werden“, sagt Maaß.

Für Hannemann indes gehören Minderjährige grundsätzlich nicht in Jobcenter und die Sanktionen komplett abgeschafft. „Wir brauchen endlich eine repressionsfreie Grundsicherung für alle Erwachsenen und Kinder, um der Armut vorzubeugen und soziokulturelle Teilhabe zu ermöglichen.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.