Weltmeister-Party in Berlin: Respektlos im Siegesrausch

Die Feier der deutschen Nationalmannschaft verkommt zum Marketing-Fan-Meilen-Truck-Korso. Da kann man auch gleich „Gaucho-Verlierer“ verhöhnen.

Nix Samba, mehr Mallorca Bild: dpa

Es ist gut jetzt. Wirklich. Freude – auf jeden Fall, Euphorie – okay, „Wir sind Weltmeister“-Rhetorik – na gut. Aber dieser Hype? Und nein, es geht nicht darum, spielverderbermäßig die Leistung der Mannschaft, den vierten Titel oder das durch das Team zum Ausdruck kommende neue Selbstverständnis Deutschlands niederzumachen. Alles großartig, wirklich.

Aber mal ehrlich, geht’s noch? Diese grenzenlose Überhöhung ist doch irre. Wozu die Live-Berichterstattung auf allen Kanälen auch nach dem Abpfiff in Brasilien nur allzu gern beiträgt. ARD-Kommentator Steffen Simon möchte man schon kaum 90 Minuten lang zuhören, wenn er ein Fußballspiel kommentiert. Ihm zuzuhören, wie er mit unvermeidlichem Pathos – da wird die Unsterblichkeit des Tages bemüht – die Busfahrt des Teams zur Fanmeile ans Brandenburger Tor in Berlin begleitet, ist leider sehr viel mehr Ravensburg als Rio.

Überhaupt fehlt dem Korso gänzlich das Flair, nix Samba, mehr Mallorca. DJ Ötzi auf der Bühne inklusive – „Ein Stern, der Jogis Namen trägt“. Die Höhner und Helene Fischer dürfen auch noch ran, das passt alles blendend zur strategischen Inszenierung des DFB, die vermeintlich nah am Fan orientiert ist. #aneurerseite wurde bereits vor der WM vom DFB als Unterstützer-Hashtag in den sozialen Medien eingeführt, um den Gemeinschaftsgedanken zu fördern. Was vor allem Politiker und Prominente zu grenzwertig ahnungslosen Tweets verführte, aber dabei sein und Fan sein ist alles.

Ginge es dann tatsächlich in Berlin nur um eine Feier der Weltmeister mit den Fans, geschenkt, da würde man doch ein Fähnchen mitschwenken. Aber um den Sport, die Mannschaft, die Leistung geht es bei alle dem nur am Rande, der perfekte Rahmen für die Sponsoren ist das Ziel, und niemanden stört’s.

Die Maschine, mit der die Nationalelf ankommt, heißt dann „Siegerflieger“ und wird von der „Fanhansa“ betrieben, via Hashtag #LH2014 können auf Twitter Flugrouten und Ankunftsverzögerungen verfolgt werden. Und über Berlin wird noch mal eine Ehrenrunde gedreht und der Fanmeile mit den Tragflächen gewinkt. Der gute Fan ist bei der nächsten Buchung gleich perfekt einkonditioniert auf das Unternehmen. Einmal mit der Fanhansa fliegen, das ist es.

Fußballmetapher!

Und danach ab in den deutschen Premium-Wagen. Denn „Weltmeister fahren Mercedes“, wie es Fans und Zuschauern penetrant nahegebracht wird. Nicht nur ist der ganze „Truck“-Korso eine Flotte des Autoherstellers, die T-Shirts des Teams tragen ebenfalls den DFB-Sponsorennamen prominent am Rücken, damit man auf gar keinen Fall an der Marke vorbeikommt – die sich das Gros der Fans nicht leisten kann. Aber hey, es geht ja um das Spiel, den Titel, Feiern. Hätte man glatt kurz vergessen können.

Das besorgt dann Bundestrainer Joachim Löw, der – Fußballmetapher! – den Ball am Brandenburger Tor an die Fans zurückspielt und klarmacht, dass man ohne die Fans natürlich nicht Weltmeister geworden wäre. Anknüpfend an das Bild der bescheidenen und nicht arroganten Mannschaft, das während der WM gezeichnet wurde.

Die absurde Inszenierung des Marketing-Fan-Meilen-Truck-Korsos findet ihren Höhepunkt im Auftritt der deutschen Mannschaft, die dann eher nichts mehr von Bescheidenheit hat. Die Würdigung einer sportlich besonderen Leistung gerät da im Siegesrausch zu einer kriegergleichen Überhöhung des eigenen Selbst, in der man auch dem „Gaucho-Verlierer“ keinen Respekt mehr zollen muss. Und die Kameras halten drauf. Da bleibt nicht mal mehr Platz für Sponsoren-Dank. Am Ende ist vielleicht das der einzig annähernd authentische Moment: die Spieler unverfälscht vorm Brandenburger Tor.

Ist gut jetzt. Wirklich.

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