Kolumne Luft und Liebe: Guckt mehr Lesbenpornos!

Jugendliche ekeln sich im Kino vor ihnen, Norbert Blüm pöbelt gegen sie und „Die Zeit“ vergisst sie einfach: Gewöhnt Euch endlich an Lesben.

Nicht im Bild: Kichern und Tuscheln im Kino während des Films „Blau ist eine warme Farbe“. Bild: Alamode Film / dpa

Kennen Sie den? Sitzen zwei Homosexuelle im Flugzeug. Sagt die eine zur anderen: „Bestimmt haben sich jetzt alle zwei Schwule vorgestellt.“

Ich hatte mir auch was vorgestellt, als ich neulich ins Kino ging. Nämlich so halbwegs in Ruhe „Blau ist eine warme Farbe“ zu gucken. Das ist der mit den zwei jungen Frauen, von denen die eine blaue Haare hat, jedenfalls am Anfang des Films, und die sich lieben und miteinander schlafen, jedenfalls in der Mitte des Films.

Es gibt darin mehrere Sexszenen, eine davon ist sechs oder sieben Minuten lang. Too much für meine Mitguckerinnen und Mitgucker, links, rechts, hinter und vor mir. Ich saß noch nie, nie, nie in einem Kino, in dem so viel gekichert und getuschelt wurde.

Informierte Menschen werden jetzt sagen: „Jaha, gekichert und getuschelt, natürlich. Das hat doch auch die Autorin des Comics, das als Vorlage diente, über den Film gesagt. Weil sie fand, lesbischer Sex wird in dem Film total platt und aus männlicher Spannersicht gezeigt.“ Hat sie gesagt, so ungefähr. War aber leider nicht das Problem in dem Kino, in dem ich saß.

Ekel, Angst und Popcorn

„Ich schwöre, die ist in echt nicht lesbisch.“ – „So hässlich, ey.“ – „Okay, bisschen eklig isses schon.“ – „Krass. Nee. Uäh.“ Das sind keine Kommentare von Lesben, die sich falsch repräsentiert fühlen, das sind Sätze von Jugendlichen, die sich ekeln. Die noch im Abspann auf ihr Handy gucken und sagen „Alter, drei Stunden“.

Zugegebenermaßen waren wir im Cinemaxx am Potsdamer Platz. Das ist so ein Kino, in dem man sich normalerweise in sternwartenmäßigen Riesensälen Dinosaurierärsche in 3-D anguckt und dabei Popcorn isst aus Eimern, von denen im Winter 1947 eine fünfköpfige Familie eine Woche lang gelebt hätte.

„Es war mir sehr wichtig, das Thema Homosexualität im Film vergessen zu machen“, hat der Regisseur des Films im Interview gesagt. Hätte klappen können. Hätte man statt der Sexszenen einfach Szenen aus dem „Hobbit“ oder „Star Trek“ eingeblendet.

Ekel ist immer auch Angst. Vielleicht waren die Jugendlichen, die mit mir im Kino waren, gar nicht homophob, vielleicht hätten sie nur vorher üben sollen. Ganz langsam. Falls ihr das lest, ihr kleinen Nervbacken: Guckt mehr Lesbenpornos. Bitte. Nicht zwei, nicht drei, guckt viele! Checkt die Pluralität! Kommt klar! (Nicht die „Lesbenpornos“ auf YouPorn mit den Extensions und den aufgeklebten langen Fingernägeln. Jo, sagt ihr, aber wieso nicht die? Vertraut mir: nicht die!) Gewöhnt euch an Lesben, weil: Es gibt sie. Wenn ihr euch nicht an sie gewöhnen wollt, guckt den „Hobbit“.

Wer übrigens auch noch nicht verstanden hat, dass es Lesben gibt, ist Die Zeit. Norbert Blüm hat sich am Sonntag in der F.A.S. sehr hässlich über Homosexuelle geäußert und über das Bundesverfassungsgericht, das ihm zu crazy ist (und zu dem übrigens eine lesbische Richterin gehört, Normbert).

Was schrieb Die Zeit? „Für Norbert Blüm sind schwule Paare keine Familie.“ Tja. Und für Die Zeit sind Lesben keine Homosexuellen. Liebe Zeit, ich wüsste da so einen Witz mit einem Flugzeug. Soll ich euch den mal erzählen, ja? Gerne.

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Jahrgang 1986. Schreibt seit 2009 für die taz über Kultur, Gesellschaft und Sex. Foto: Esra Rotthoff

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